Tipp Nr. 97: Vermeidung einer unwirksamen Betriebsvereinbarung aufgrund eines unterbliebenen Betriebsratsbeschlusses

Der wirksame Abschluss einer Betriebsvereinbarung setzt einen darauf bezogenen Betriebsratsbeschluss voraus. Ist die Betriebsvereinbarung, die der Vorsitzende des Betriebsrats unterschrieben hat, unwirksam, kann der Arbeitgeber aus ihr keine Rechte herleiten. Dies z.B. für ihn schwerwiegend, wenn die Betriebsvereinbarung Kurzarbeit oder Mehrarbeit regeln soll.

Die falsche Strategie:

Strategisch falsch wäre es vom Arbeitgeber, sich darauf zu berufen, aufgrund der Unterzeichnung der Betriebsvereinbarung durch den Vorsitzenden des Betriebsrats habe er, der Arbeitgeber, darauf vertrauen dürfen, dass der Betriebsrat den Vorsitzenden aufgrund eines wirksamen Beschlusses bevollmächtigt habe. Das BAG hat es jüngst dahinstehen lassen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen eine widerlegbare Vermutung besteht, wonach die vom Betriebsratsvorsitzenden abgegebenen Erklärungen auf einem entsprechenden Beschluss des Gremiums beruhen (BAG v. 9.12.2014 – 1 ABR 19/13). Es deutet damit an, dass es künftig möglicherweise selbst bei Vorliegen eines Beschlusses eine widerlegbare Vermutung für dessen ordnungsgemäßes Zustandekommen verneinen könnte. In jedem Fall lehnt das Gericht aber eine solche Vermutungswirkung ab, wenn es überhaupt keinen Betriebsratsbeschluss gibt.

Die richtige Strategie:

Arbeitgeber sollte sich vor diesem Hintergrund vor Unterzeichnung einer Betriebsvereinbarung, aus der sie Rechte herleiten wollen, den entsprechenden Betriebsratsbeschluss vorlegen lassen. Selbst wenn dieser ihnen dann vorliegt, sollte sie ihn auf dessen Ordnungsmäßigkeit iSd § 33 BetrVG prüfen. Erst wenn dann keine Bedenken bestehen, sollte die Betriebsvereinbarung unterschrieben werden.

Entdecken sie erst später, dass mangels eines ordnungsgemäßen Beschlusses eine Betriebsvereinbarung unwirksam ist, sollten Sie den Betriebsrat auffordern, nachträglich einen entsprechenden Beschluss zu fassen. Ohne einen wirksamen Betriebsratsbeschluss abgeschlossene Vereinbarungen können vom Betriebsrat durch eine spätere ordnungsgemäße Beschlussfassung nach § 184 Abs. 1 BGB genehmigt werden (BAG v. 9.12.2014 – 1 ABR 19/13).

 

Ausführlich bereits

Kleinebrink, Fehlerhafte Betriebsratsbeschlüsse: Auswirkungen und Möglichkeiten der Heilung, ArbRB 2009, 211-214

Tipp Nr. 96: Strategie zur Wahrung der Form bei vorzeitiger Vertragsbeendigung

Häufig sehen Aufhebungsverträge oder gerichtliche Vergleiche für Arbeitnehmer und teilweise auch für Arbeitgeber die Möglichkeit vor, das Arbeitsverhältnis vor dem vereinbarten Zeitpunkt zu beenden. Wird davon Gebrauch gemacht, führt dies regelmäßig zu einer Abfindung oder zur Erhöhung einer bereits festgelegten Abfindung. Voraussetzung ist allerdings, dass die vorzeitige Beendigung ordnungsgemäß erfolgt.

Die falsche Strategie:

Strategisch falsch wäre es, die vorzeitige Vertragsbeendigung mündlich, durch Telefax, E-Mail oder auf einem sonstigen elektronischen Weg vorzunehmen. Hierdurch wird die Form nicht gewahrt, so dass die vorzeitige Beendigung nicht erfolgt und der aus Sicht des Arbeitgebers gewünschte Einspareffekt bei den Personalkosten nicht eintritt. Der Arbeitnehmer muss seine Arbeitsleistung weiter bis zum „normalen“ Beendigungszeitpunkt erbringen.

Die richtige Strategie:

Stattdessen  muss die Schriftform gewahrt werden. Dies folgt nach Ansicht des BAG daraus, dass eine Vertragsbeendigung iSd § 623 BGB vorliegt, die zwingend diese strenge Form erfordert (BAG 17.12.2015 – 6 AZR 709/14).

Das Dokument, das die einseitige vorzeitige Vertragsbeendigung enthält, muss unterschrieben werden und mit dieser Originalunterschrift der anderen Vertragspartei nachweisbar zugehen. Dies sollte aus Beweisgründen mit Hilfe eines Empfangsbekenntnisses geschehen.

Tipp Nr. 95: Die richtige Strategie zu Abschaffung bezahlter Raucherpausen

Die deutsche Gesetzgebung und Rechtsprechung kennt viele Fälle, in denen von dem Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ abgewichen wird. Zu denken ist etwa an die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und an die Gewährung des gesetzlichen Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Arbeitgeber sind deshalb häufig daran interessiert, nicht zusätzliche Fallgestaltungen einer bezahlten Freistellung von der Arbeit zu schaffen bzw. derartige zusätzliche finanzielle Begünstigungen wieder zu beseitigen. Eine Überlegung kann dabei sein, die Bezahlung von Raucherpausen wieder abzuschaffen. Hierfür spricht neben der finanziellen Belastung durch eine entsprechende Vergütung auch, dass die dadurch entstehende Ungleichbehandlung mit Nichtrauchern zumindest personalpolitisch kritisch, wenn nicht sogar rechtlich bedenklich ist.

Die falsche Strategie:

Strategisch falsch wäre es, die Beseitigung der Bezahlung entsprechender Raucherpausen ohne weiteres durch Änderungskündigungen anzustreben. Personalpolitisch bergen derartige Änderungskündigungen die Gefahr, dass gerade leistungsstarke Arbeitnehmer das in ihnen enthaltene Angebot zur Änderung der Arbeitsbedingungen – Beseitigung der Bezahlung der Raucherpause – nicht annehmen, wodurch gleichsam die Änderungskündigung zur Beendigungskündigung wird. Der Arbeitgeber verliert wertvolle Mitarbeiter. Abgesehen davon wären entsprechende Änderungskündigungen auch nicht sozial gerechtfertigt.

Die richtige Strategie:

Stattdessen kann der Arbeitgeber die Bezahlung entsprechender Raucherpausen zu einem bestimmten Stichtag einseitig einstellen; allerdings muss er hierbei einheitlich gegenüber allen bisher entsprechend begünstigten Arbeitnehmern vorgehen, um nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz zu verstoßen. Die von dieser Einsparung betroffenen Arbeitnehmer können sich nicht erfolgreich darauf berufen, durch die lang andauernde vorbehaltlose Gewährung entsprechender bezahlter Raucherpausen sei eine betriebliche Übung entstanden, die der Arbeitgeber nicht ohne weiteres wieder gegen ihren Willen beseitigen könne.

Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, Raucherpausen zu vergüten; eine betriebliche Übung des Inhalts, dass Raucherpausen vergütet werden, entsteht nicht, wenn der Arbeitgeber über eine lange Zeit die Raucherpausen zeitlich nicht erfasst und deshalb einen Lohnabzug nicht vorgenommen hat (LAG Nürnberg v. 21.7.2015 – 7 Sa 131/15). Es fehlt an einem entsprechenden Vertrauenstatbestand, auf den sich die Arbeitnehmer berufen können. Ihnen muss klar sein, dass ein Arbeitgeber nicht auf Dauer bereit sein wird, die erheblichen finanziellen Belastungen, die die Vergütung derartiger Raucherpausen hervorruft, zu tragen. Dies gilt zumindest dann, wenn der Arbeitgeber auf eine Zeiterfassung bei der Inanspruchnahme von Raucherpausen durch die Arbeitnehmer bisher verzichtet hat.

Tipp Nr. 94: Grenzen der Kostenbelastung durch Sachverständige des Betriebsrats

Die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten trägt nach § 40 Abs. 1 BetrVG der Arbeitgeber. Dies gilt nach § 80 Absatz 3 BetrVG auch für Sachverständige, die der Betriebsrat bei der Durchführung seiner Aufgaben nach näherer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber hinzuzieht, soweit dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. Ziel eines Arbeitgebers ist es regelmäßig, derartige Kosten, die ihm durch betriebsverfassungsrechtliche Aufgaben des Betriebsrats entstehen, in Grenzen zu halten.

Die falsche Strategie:

Vor diesem Hintergrund wäre es strategisch falsch, sich ohne weiteres mit der Hinzuziehung eines Sachverständigen durch den Betriebsrat einverstanden zu erklären. Dies würde unweigerlich die genannte Kostenfolge auslösen.

Die richtige Strategie:

Stattdessen kann der Arbeitgeber den Betriebsrat darauf verweisen, dass die Hinzuziehung eines Sachverständigen nach § 80 Abs. 3 BetrVG im konkreten Fall nicht erforderlich ist und er deshalb die entsprechenden Kosten, die der Betriebsrat verursacht oder beabsichtigt zu verursachen, nicht tragen muss. Der Betriebsrat muss nämlich vor der Hinzuziehung eines solchen Sachverständigen auf Kosten des Arbeitgebers alle ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen nutzen, um sich das notwendige Wissen anzueignen. Die Beauftragung eines Sachverständigen ist daher nicht erforderlich, wenn sich der Betriebsrat nicht zuvor bei dem Arbeitgeber um die Klärung der offenen Fragen bemüht hat (BAG v. 16.11.2005 – 7 ABR 12/05).

Der Betriebsrat muss daher die vom Arbeitgeber angebotenen Möglichkeiten zu Unterrichtung durch Fachkräfte des Betriebs oder Unternehmens nutzen. Beauftragt der Arbeitgeber selber einen externen Sachverständigen, ist es dem Betriebsrat regelmäßig zuzumuten, ebenfalls dessen Sachverstand zu nutzen, um dadurch die für den Arbeitgeber weitaus kostenträchtige Variante der Hinzuziehung eines eigenen Sachverständigen zu vermeiden.

Taktisch kann es deshalb aus Sicht des Arbeitgebers geboten sein, möglichst frühzeitig, insbesondere im Rahmen von Verhandlungen eines Gegenstandes der erzwingbar Mitbestimmung nach § 87Abs. 1 BetrVG, einen externen Sachverständigen zu beauftragen, der mit der dann den Betriebsrat auf diesen verweisen kann, bevor der Betriebsrat seinerseits versucht, einen Sachverständigen durchzusetzen.

Tipp Nr. 93: Die richtige Strategie bei in Unersuchungshaft befindlichen Arbeitnehmern

Erscheint ein Arbeitnehmer nicht zur Arbeit, hat ein Arbeitgeber ein Interesse zu erfahren, welchen Grund es für die Abwesenheit des Arbeitnehmers gibt und wie lange diese Abwesenheit voraussichtlich dauern wird, um auf diese Weise personell disponieren zu können. In manchen Fällen, hat der Gesetzgeber bereits diesem Dispositionsinteresse des Arbeitgebers Rechnung tragen. So sieht z.B. § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG eine entsprechende Anzeigepflicht des Arbeitnehmers bei einer Arbeitsunfähigkeit vor. Eine gesetzliche Regelung, die eine solche Auskunftspflicht des Arbeitnehmers regelt, wenn sich dieser in Untersuchungshaft befindet, sucht man hingegen vergeblich.

Die falsche Strategie:

Falsch wäre es, aus dem Fehlen einer solchen gesetzlichen Regelung zu schließen, dass dem Arbeitgeber kein Auskunftsanspruch zusteht. Eine solche Pflicht kann sich nämlich nicht nur aus ausdrücklichen gesetzlichen Regelungen, sondern insbesondere auch aus der allgemeinen Rücksichtnahmepflicht des Arbeitnehmers ergeben. Eine Nebenpflicht des Arbeitnehmers besteht nach § 241 Abs. 2 BGB darin, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen.

Die richtige Strategie:

Aus ihr leitet sich die allgemeine Pflicht des Arbeitnehmers ab, den Arbeitgeber im Rahmen des Zumutbaren unaufgefordert und rechtzeitig über Umstände zu informieren, die einer Erfüllung der Arbeitspflicht entgegenstehen. Wird der Arbeitnehmer in Untersuchungshaft genommen, ist er deshalb gehalten, dem Arbeitgeber diesen Umstand unverzüglich anzuzeigen und ihn – im Rahmen des Möglichen – über die voraussichtliche Haftdauer in Kenntnis zu setzen. Aus dem berechtigten Planungsinteresse des Arbeitgebers kann sich zudem die Pflicht des Arbeitnehmers ergeben, über anstehende Haftprüfungstermine Auskunft zu geben (BAG v. 26.3.2015 – 2 AZR 517/14).

Kommt ein Arbeitnehmer dieser Verpflichtung von sich aus nicht nach, kann ihn der Arbeitgeber deshalb auf sie hinweisen. Im übrigen ist der Arbeitgeber bei einer Verletzung dieser Pflicht berechtigt, dem Arbeitnehmer eine Abmahnung zu erteilen.

 

Ausführlich zu den individualrechtlichen Folgen einer Inhaftierung eines Arbeitnehmers und zu möglichen Strategien  des Arbeitgebers: Kleinebrink, BB 2016, 373ff (Heft 6)