Tipp Nr. 102: Anhörung des Betriebsrats bei Kündigung von Auszubildenden in der Probezeit

Ein Berufsausbildungsverhältnis hat zwingend nach § 20 BBiG mit einer Probezeit zu beginnen. Diese muss mindestens einen Monat und darf höchstens vier Monate betragen. Während einer solchen Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis nach § 22 Abs. 1 BBiG jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Will der Ausbildende eine solche Kündigung während der Probezeit erklären, hat er – sofern vorhanden – den Betriebsrat nach § 102 BetrVG ordnungsgemäß anzuhören. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut dieser Vorschrift macht es keinen Unterschied, ob die beabsichtigte Kündigung einen Auszubildenden oder einen Arbeitnehmer betrifft. Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören.

Fraglich ist allerdings in der Praxis häufig, wie lange der Betriebsrat Gelegenheit hat, um im Rahmen der Anhörung bei einer beabsichtigten Kündigung eines Auszubildenden in der Probezeit Stellung zu nehmen. Die richtige Vorgehensweise ist für die Personalpraxis äußerst wichtig. Verkennt der Ausbildende die richtige Frist, die dem Betriebsrat zur Verfügung steht, ist die Anhörung regelmäßig nicht ordnungsgemäß. Nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG hat dies die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge. Erfährt der Ausbildende erst nach Ablauf der Probezeit von der Unwirksamkeit der Kündigung, greift der Sonderkündigungsschutz des Auszubildenden nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG. Die Kündigung ist nur noch aus wichtigem Grund möglich.

Die falsche Strategie:

Die falsche Strategie ist, dem Betriebsrat lediglich drei Tage Gelegenheit zu geben, zur beabsichtigten Kündigung Stellung zu nehmen. § 102 Abs. 2 Satz 3 BetrVG sieht zwar vor, dass ein Betriebsrat, der gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken hat, dies unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber – bzw. Ausbildenden – unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen hat. Dies könnte zu der Annahme verleiten, dass auch bei einer Kündigung eines Auszubildenden in der Probezeit dem Betriebsrat nur diese relativ kurze Reaktionszeit zur Verfügung steht, da § 22 Abs. 1 BBiG – wie dargestellt – die Möglichkeit eröffnet, jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen. Orientiert sich die Personalpraxis hieran, würde sie bei einem Zugang der Anhörung beim Betriebsrat beispielsweise am Montag bei einer fehlenden Reaktion des Betriebsrats davon ausgehen, dass die Kündigung am Freitag erklärt werden kann (der Tag des Zugangs der Anhörung zählt nie mit). Dies ist aber falsch.

Die richtige Strategie:

Bei einer Kündigung eines Auszubildenden in der Probezeit handelt es sich nicht um eine außerordentliche, sondern um eine um eine ordentliche entfristete Kündigung (BAG 27.11.1991 – 2 AZR 263/91; BAG 10.11.1988 – 2 AZR 26/88; BAG 16.12.2004 – 6 AZR 127/04). Der Betriebsrat hat demnach nach § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG eine Woche Zeit, eine Stellungnahme abzugeben. Reagiert der Betriebsrat nicht innerhalb dieses Zeitraums mit einer abschließenden Stellungnahme, kann der Ausbildende erst nach Ablauf der Woche den Zugang der Kündigung beim Auszubildenden – bzw. bei minderjährigen Auszubildenden beim gesetzlichen Vertreter – bewirken. Erhält der Betriebsrat die Anhörung am Dienstag, wäre in diesem Fall die Kündigung erst am Mittwoch der Folgewoche möglich. Zu beachten ist, dass dieser Tag dann auch noch innerhalb der Probezeit liegt.

Tipp Nr. 101: Der strategische Umgang mit Gegendarstellungen bei der Vorbereitung von Kündigungen

Ein Arbeitnehmer ist berechtigt, vom Arbeitgeber zu verlangen, dass von ihm erstellte schriftliche Erklärungen zum Inhalt seiner Personalakte gemacht werden. Dieses Recht folgt aus § 83 Abs. 2 BetrVG. Von Arbeitgebern bzw. deren Personalverantwortlichen wird häufig übersehen, dass derartige Gegendarstellungen bei der Vorbereitung von verhaltensbedingten Kündigungen eine erhebliche Rolle spielen. Wird die insoweit ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung nicht beachtet, besteht für den Arbeitgeber die Gefahr, dass er allein aus diesem Grund im Kündigungsrechtsstreit unterliegt oder aber der Arbeitnehmer nur bereit ist, gegen eine hohe Abfindung einvernehmlich aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden. Ein fehlerhafter Umgang mit der Gegendarstellung kann damit betriebswirtschaftlich betrachtet erhebliche negative finanzielle und – insbesondere bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses – negative immaterielle Auswirkungen  haben.

Die falsche Strategie:

Die falsche Strategie ist, bei der Vorbereitung einer verhaltensbedingten Kündigung Gegendarstellungen nicht zu berücksichtigen.

Eine Gegendarstellung, die der Arbeitnehmer zur Abmahnung abgegeben und zur Personalakte gereicht hat, muss bereits dem Betriebsrat im Anhörungsverfahren vorgelegt werden (BAG 31.08.1989 – 2 AZR 453/88). Geschieht dies nicht, ist die Anhörung des Betriebsrats regelmäßig nicht ordnungsgemäß und die Kündigung bereits aus diesem Grund nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam.

Die richtige Strategie:

Die richtige Strategie besteht deshalb darin, dass der Arbeitgeber bei der Vorbereitung einer verhaltensbedingten Kündigung durch Einsicht in die Personalakte überprüft, ob der betroffene Arbeitnehmer zu einer Abmahnung, die der Arbeitgeber zur Vorbereitung der Kündigung heranziehen will, eine Gegendarstellung abgegeben hat. Sollte dies der Fall sein, muss er im Anhörungsverfahren gegenüber dem Betriebsrat diesem nicht nur die Abmahnung, sondern auch diese Gegendarstellung nachweisbar vorlegen. Dies gilt auch dann, wenn er die Abmahnung nur für die Interessenabwägung zu seinen Gunsten heranziehen will, weil er der Auffassung ist, für den Kündigungsgrund an sich sei die Abmahnung nicht erforderlich oder aber es sich um eine Abmahnung handelt, in der eine Pflichtverletzung beanstandet wird, die mit der Pflichtverletzung, die zur Kündigung führt, nicht zumindest gleichartig ist.

Siehe zum Recht der Abmahnung auch die Gesamtdarstellung, Kleinebrink, Abmahnung, 3. Auflage 2016, erscheint im 4.Quartal 2016

Tipp Nr. 100: Vermeidung von Diskriminierungen bei Einschaltung Dritter zur Personalsuche

Diskriminiert ein Arbeitgeber im Einstellungsverfahren einen Bewerber rechtswidrig, begründet dies nach § 15 Absatz 6 AGG zwar keinen Anspruch des benachteiligten Bewerbers auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses. Der Arbeitgeber riskiert aber erhebliche finanzielle Nachteile. Wegen eines Schadens, der Nichtvermögensschaden ist, kann der erfolglose Bewerber eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Diese Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung nach § 15 AGG drei  Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Gelingt es dem Bewerber nachzuweisen, dass er bei einer ordnungsgemäßen Bewerbungsverfahren die Stelle bekommen hätte, droht dem Arbeitgeber nach § 15 Abs. 1 AGG die Zahlung eines Schadensersatzes an den Bewerber, der seiner Höhe nach nicht begrenzt ist. Außerdem erleidet der Arbeitnehmer immaterielle Nachteile in Form eines Imageverlustes, wenn diese Diskriminierung öffentlich wird. Diese Grundsätze gelten auch, wenn der Arbeitgeber Dritte in das Bewerbungsverfahren einschaltet, die in einer Stellenausschreibung Bewerber diskriminieren.

Die falsche Strategie:

Strategisch falsch ist es, wenn ein Arbeitgeber, der Dritte mit der Suche nach Bewerbern betraut, deren Stellenausschreibungen nicht kontrolliert. Für die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs nach § 15 Abs. 2 AGG oder eines Schadenersatzanspruchs nach § 15 Abs. 1 AGG  ist der potentielle Arbeitgeber nach § 6 Abs. 2 S 1 AGG, der die Stelle ausgeschrieben und Bewerbungen dafür erbeten hat, der richtige Anspruchsgegner und nicht etwa der Dritte, z.B. die Agentur für Arbeit oder ein Personalvermittler (BAG v. 23.1.2014 – 8 AZR 118/13). Diskriminiert der eingeschaltete Dritte einen Bewerber iSd. AGG in einer Stellenanzeige, muss der potentielle Arbeitgeber sich dies zurechnen lassen. Auf ein etwaiges mangelndes Verschulden kann er sich beim Entschädigungsanspruch nicht berufen.

Die richtige Strategie:

Schaltet der Arbeitgeber Dritte zur Personalsuche ein, muss er die Stellenzeigen, die diese zu veröffentlichen beabsichtigen, vor deren Veröffentlichung kontrollieren, um etwaige Formulierungen, die ein Indiz für eine Diskriminierung darstellen können, frühzeitig zu beanstanden. Außerdem sollte er sich bei den entsprechenden Dritten vergewissern, dass diese eine Versicherung abgeschlossen haben, die bei etwaigen von ihm nicht zu verhindernden Diskriminierungen im Bewerbungsprozess eintritt, um sich ggf. zumindest hinsichtlich etwaiger finanzieller Nachteile schadlos halten zu können.

Tipp Nr. 99: Vorsorgliche Änderungskündigung als strategisches Mittel

Oftmals ist ein Arbeitgeber sich nicht sicher, ob er eine bestimmte Maßnahme, z.B. die Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz, mit Hilfe des ihm nach § 106 Satz 1 GewO zustehenden Direktionsrecht durchsetzen kann, weil insbesondere der Arbeitsvertrag des betroffenen Arbeitnehmers dem nicht entgegensteht, oder ob er eine Änderungskündigung erklären muss, weil sein Direktionsrecht rechtlich nicht ausreicht.

Die falsche Strategie:

Strategisch falsch wäre es vom Arbeitgeber in derartigen Fällen, entweder sein Direktionsrecht auszuüben oder eine Änderungskündigung zu erklären. Greift der Arbeitgeber zum Mittel des Direktionsrechts, kann der Arbeitnehmer sich weigern die Anweisung zu befolgen, wenn das Direktionsrecht nicht ausreicht. Mangels Arbeitsverweigerung wären eine Abmahnung oder gar Kündigung des Arbeitnehmers nicht rechtmäßig. Erhebt der Arbeitnehmer Klage auf Feststellung, dass er nicht verpflichtet ist, die Anweisung zu befolgen, obsiegt er. Erklärt der Arbeitgeber nur eine Änderungskündigung, unterliegt er vor Gericht, wenn das Direktionsrechts ausgereicht hätte und der Arbeitnehmer die Änderungskündigung nicht unter Vorbehalt annimmt. Außerdem verliert der Arbeitgeber u.U. dann einen guten Arbeitnehmer, obwohl er nur den Vertrag inhaltlich ändern wollte, wenn der Arbeitnehmer nicht klagt.

Die richtige Strategie:

Die richtige Strategie ist in derartigen Fällen, sowohl das Direktionsrecht auszuüben als vorsorglich auch eine Änderungskündigung zu erklären. Diese Möglichkeit billigt das BAG (BAG v. 17.12.2015 – 2 AZR 304/15). In der Änderungskündigung muss der Arbeitgeber dann aber deutlich machen, dass er diese nur vorsorglich für den Fall erklärt, dass entgegen seiner Auffassung die erfolgte Ausübung seines Direktionsrechts rechtlich nicht ausreicht, die Maßnahme durchzusetzen.

Der Arbeitnehmer kann allerdings dann seinerseits sowohl gerichtlich das Direktionsrecht angreifen als auch die Änderungskündigung unter der Bedingung, dass über diese nur befunden wird, wenn es nach Auffassung des Gerichts für die streitgegenständliche Maßnahme einer Vertragsänderung bedarf.

Tipp Nr. 98: Betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung gegenüber dem Beriebsrat als Gremium

Verletzt ein Betriebsrat seine betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten in grober Weise, kann der Arbeitgeber nach § 23 Abs. 1 BetrVG die Auflösung des Betriebsrats verlangen. Die Hürde der „groben“ Pflichtverletzung ist allerdings außerordentlich hoch.

Die falsche Strategie:

Strategisch falsch wäre es vom Arbeitgeber, bei Verstößen des Betriebsrats als Gremium gegen das BetrVG, bei denen objektiv mehr als zweifelhaft ist. ob die Schwelle der groben Pflichtverletzung erreicht ist, dennoch gerichtlich die Auflösung des Betriebsrats zu beantragen. Ein solches Vorgehen erschwert regelmäßig die künftige Zusammenarbeit des Betriebsrats. Außerdem entstehen unnötige Kosten, da der Arbeitgeber die Kosten eines vom Betriebsrat zur Prozessvertretung hinzugezogenen Anwalts nach § 40 Abs. 1 BetrVG tragen muss.

Die richtige Strategie:

Eine bessere Strategie zeigt das ArbG Solingen auf (ArbG Solingen 18.02.2016 – 3 BV 15/15). Es hält eine Abmahnung, mit der der Arbeitgeber die Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten durch den Betriebsrat als Gremium beanstandet, für grundsätzlich zulässig.

Ein Arbeitgeber, der beabsichtigt, eine solche betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung gegenüber dem Betriebsrat zu erklären, muss zunächst feststellen, ob der Betriebsrat als Gremium gegen Pflichten aus dem BetrVG verstoßen hat. Der entsprechenden Maßnahme muss ein Beschluss des Betriebsrats als solchem zugrunde liegen (LAG Berlin-Brandenburg v. 4.2.2016 – 10 TaBV 2078/15). In dem Betreff der Abmahnung, die der Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat als Gremium erklären möchte, sollte er durch den Hinweis „Betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung des Betriebsrats als Gremium“ deren Charakter deutlich machen, um Auslegungsschwierigkeiten zu vermeiden. In der Abmahnung  ist dann  anhand von Tatsachen ohne Verwendung von Schlagwörtern der betriebsverfassungsrechtlichen Verstoß nach Art, Zeitpunkt und handelnden Personen zu bezeichnen. Anschließend sollte ausgeführt werden, wie sich der Betriebsrat künftig richtig zu verhalten hat, ohne Vorgaben zu machen, die der Betriebsrat nach dem BetrVG nicht erfüllen muss. Abschließend ist der Hinweis aufzunehmen, dass bei einem erneuten betriebsverfassungsrechtlichen Verstoß ein gerichtlicher Antrag des Arbeitgebers auf Auflösung des Betriebsrats droht, damit die betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung die für sie notwendige Warnfunktion erhält.

Es bleibt allerdings abzuwarten, ob die vom ArbG Solingen vertretene Rechtsauffassung in anderen Verfahren auch von höheren Instanzen geteilt wird.

Ausführlich:

Kleinebrink, Zulässigkeit einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung gegenüber dem Betriebsrat, DB 2016, Heft