Tipp Nr. 92: Pflicht zur Mitteilung eines in einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung genannten Enddatums

Seit dem 1. Januar 2016 müssen Ärzte bei gesetzlich versicherten Arbeitnehmern neue Vordrucke für Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen benutzen. Diese sehen bei den für den Arzt, den Arbeitnehmer und die Krankenkasse bestimmten Muster die Möglichkeit vor, das Datum für die tatsächliche Beendigung der Arbeitsunfähigkeit anzugeben, wenn dieses Datum außerhalb des Zeitraums der vom Arbeitgeber geschuldeten Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall liegt. In dem für den Arbeitgeber bestimmten Exemplar findet sich diese Möglichkeit nicht; dort kann nur – wie bisher – das voraussichtliche Ende der Arbeitsunfähigkeit angegeben werden. Der Arbeitgeber hat allerdings regelmäßig ein Interesse daran, ebenfalls von einem solchen bescheinigten Enddatum zu erfahren, da es ihm dann leichter möglich ist, im Hinblick auf das Ende der Arbeitsunfähigkeit personell zu disponieren.

Die falsche Strategie:

Falsch wäre es, ohne weiteres von dem Arbeitnehmer zu verlangen, dem Arbeitgeber ein entsprechend bescheinigtes Enddatum in einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu nennen. Hierfür fehlt es an einer rechtlichen Grundlage, sodass der Arbeitnehmer zu einer entsprechenden Mitteilung nicht verpflichtet ist.

Die richtige Strategie:

Richtig ist vielmehr, wenn der Arbeitgeber zunächst eine entsprechende Rechtsgrundlage schafft. Da in Tarifverträgen aufgrund der jetzt erst erfolgten Neuregelung des Inhalts der Bescheinigungen keine entsprechende Verpflichtung zulasten von Arbeitnehmern vorgesehen sein wird, bleibt dem Arbeitgeber lediglich die Möglichkeit, dies in einem Arbeitsvertrag zu regeln.

Musterformulierung:

„Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber ein in einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verbindlich genanntes Enddatum für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit unverzüglich mitzuteilen.“

Besteht in den Betrieb, in dem der Arbeitnehmer beschäftigt ist, ein Betriebsrat, wird man auf dem Hintergrund der bisherigen Rechtsprechung des BAG annehmen müssen, dass eine solche Regelung in einer Betriebsvereinbarung enthalten sein muss, um eine Verpflichtung des Arbeitnehmers zu begründen, wenn der Arbeitgeber eine allgemeine Regelung für den Betrieb oder mehrerer Arbeitnehmer schaffen will.

Ausführlich zur materiellen Bedeutung der neuen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Kleinebrink, ArbRB 2016, Heft 2

Tipp Nr. 91: Die richtige Deutung einer vorhandenen Altersgrenze in einer Betriebsvereinbarung

Arbeitsverhältnisse enden nicht automatisch mit Erreichen der Regelaltersgrenze. Ein Arbeitgeber, der eine Überalterung der Belegschaft vermeiden möchte, muss deshalb entweder eine schon vorhandene Rechtsgrundlage für eine solche Beendigung – insbesondere in einem Tarifvertrag – nutzen oder aber eine solche Rechtsgrundlage schaffen (siehe Tipp Nr 18). In der Praxis kann es jedoch vorkommen, dass eine Betriebsvereinbarung die früher noch für alle Arbeitnehmer geltende Regelaltersgrenze „65 Jahre“ enthält. Bekanntlich steigt dieser Altersgrenze schrittweise abhängig von Geburtstag des betroffenen Arbeitnehmers bis zur Vollendung des 67. Lebensjahres an. Es gibt deshalb keine einheitliche Regelaltersgrenze mehr. Der Arbeitgeber muss deshalb feststellen, wie eine solche „alte“ Regelaltersgrenze zu deuten ist.

Die falsche Strategie:

Strategisch falsch wäre es, wenn der Arbeitgeber gegenüber Arbeitnehmern, die das 65. Lebensjahr vollendet haben, die Auffassung vertreten würde, das Arbeitsverhältnis ende auch dann mit Ablauf des Monats, in den der betreffende Geburtstag fällt, wenn nach der neuen Rechtslage die neue Regelaltersgrenze später liegt.

Die richtige Strategie:

Richtig geht ein Arbeitgeber vielmehr vor, wenn er eine solche Betriebsvereinbarung so liest, als ob dort statt eines bestimmten Lebensjahres allgemein „Regelaltersgrenze“ steht. Betriebsvereinbarungen, nach denen das Arbeitsverhältnis mit der Vollendung des 65. Lebensjahres endet, sind nach der Anhebung des Regelrentenalters regelmäßig dahingehend auszulegen, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erst mit der Vollendung des für den Bezug einer Regelaltersrente maßgeblichen individuellen Lebensalters erfolgen soll (BAG 13.10.2015 – 1 AZR 853/13). Die Altersgrenze „65 Jahre“ kann nur dann weiter herangezogen werden, wenn es nachweisbar dem Willen der Betriebsparteien entsprach, eine Altersgrenze zu vereinbaren, die – ungeachtet des Erreichens des Regelrentenalters durch den Arbeitnehmer – bereits auf den Zeitpunkt der Vollendung des 65. Lebensjahres abstellt. Diese Auslegung wird kaum möglich sein, da den Betriebspartnern nicht unterstellt werden kann, eine falsche Regelaltersgrenze aufnehmen zu wollen.

Unabhängig davon bleibt dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer die Möglichkeit, eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses einvernehmlich früher vorzusehen oder die Gestaltungsmöglichkeit des § 41 SGG VI zu nutzen.