Tipp Nr. 47: Die richtige Wahl der Schlussformel im Arbeitszeugnis

Arbeitnehmer wünschen regelmäßig, dass ihr Zeugnis eine Schlussformel enthält, mit der ihr bisheriger Arbeitgeber ihnen für die geleisteten Dienste dankt und Ihnen gleichzeitig für die Zukunft alles Gute wünscht.

Die falsche Strategie:

Arbeitgeber gaben dem Drängen ihrer Arbeitnehmer, eine entsprechende Schlussformel aufzunehmen, in vielen Fällen in der Vergangenheit auch dann nach, wenn Sie innerlich aufgrund des Verlaufs des Arbeitsverhältnisses dazu nicht bereit waren, weil sie befürchteten, dass der Arbeitnehmer sie ansonsten vor dem Arbeitsgericht auf Erteilung der Schlussformel erfolgreich verklagen würde.

Die richtige Strategie:

Eine neue Entscheidung des BAG vom 11.12.2012 – 9 AZR 227/11 eröffnet nun Arbeitgebern vier verschiedene strategische Möglichkeiten.

Ein Arbeitgeber ist demnach nicht verpflichtet, eine derartige Schlussformel in das Zeugnis aufzunehmen. Er kann deshalb auf sie verzichten, ohne befürchten zu müssen, dass der Arbeitnehmer sie erfolgreich einklagt.

Ferner kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer lediglich für die geleisteten Dienste danken. Der Arbeitnehmer kann dann nicht beanspruchen, dass gleichsam auch der zweite Teil der Schlussformel – die guten Wünsche für die Zukunft – zusätzlich aufgenommen wird. Er hat nach der genannten Entscheidung allein die Möglichkeit zu verlangen, dass der erste Teil der Schlussformel, der sich imZeugnis befindet, ersatzlos gestrichen wird.

Wünscht der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer in Zeugnis lediglich für die Zukunft alles Gute, ohne sich für die geleisteten Dienste zu bedanken, kann der Arbeitnehmer ebenfalls nur verlangen, dass dieser Teil der Schlussformel aus dem Zeugnis entfernt wird. Er kann nicht beanspruchen, dass die Schlussformel insoweit ergänzt wird.

Letztendlich steht es dem Arbeitgeber natürlich auch frei, die volle Schlussformel in das Zeugnis aufzunehmen, wenn er „voll hinter ihr steht“.

Durch diese Rechtsprechung wird das Zeugnis aufgewertet. Ein möglicher neuer Arbeitgeber kann ihm nun entnehmen, wie hoch die Wertschätzung des bisherigen Arbeitgebers gegenüber dessen früheren Arbeitnehmer wirklich war.

Tipp Nr. 46: Strategien für eine Freistellungsvereinbarung

Möchte ein Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitnehmer einvernehmlich durch einen Aufhebungsvertrag fristgerecht beenden, ist es regelmäßig insbesondere bei Arbeitnehmern einer höheren hierarchischen Ebene sein Ziel, dass der Arbeitnehmer nach Unterzeichnung des Aufhebungsvertrags nicht wieder an seinen Arbeitsplatz zurückkehrt. Aufhebungsverträge sehen deshalb meistens eine Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitsleistung vor. Gleichzeitig möchte er aber oftmals, dass die finanziellen Belastungen einer derartigen Freistellung für ihn so gering wie möglich ausfallen.

Die falsche Strategie.

Während der Dauer einer einvernehmlichen Freistellung muss der Arbeitgeber regelmäßig dem Arbeitnehmer die vertraglich geschuldete Vergütung weiterzahlen. In der Praxis glauben viele Arbeitgeber aber, dass sich diese Vergütungsansprüche automatisch um das Arbeitsentgelt verringern, die der Arbeitnehmer während der Dauer einer Freistellung bei einem anderen Arbeitgeber erzielt. Ebenso sind sie der Auffassung, dass das vertragliche Wettbewerbsverbot, das § 60 HGB vorsieht, zumindest bei einem wettbewerbswidrigen Verhalten während dieser Zeit eine Verrechnung der vom Arbeitnehmer anderweitig erzielten Vergütung ermöglicht. Eine neuere Entscheidung des BAG zeigt – erneut – dass diese Annahmen nicht zutreffen und außergerichtliche Aufhebungsverträge sorgfältig formuliert werden müssen (vgl. BAG v. 17.10.2012 – 10 AZR 809/11, PM 73/12).

Die richtige Strategie:

Soll ein anderweitiger Verdienst, den der Arbeitnehmer während der Zeit der Freistellung erzielt, auf die Vergütung, die der Arbeitgeber zu zahlen hat, angerechnet werden, muss dies ausdrücklich vereinbart werden. Eine entsprechende Anwendung des § 615 Satz 2 BGB scheidet ansonsten nach Auffassung des BAG aus (BAG v. 17.10.2012 – 10 AZR 809/11; BAG v. 19.3.2002 – 9 AZR 16/01). Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitnehmer unter Verstoß gegen das gesetzliche Wettbewerbsverbot, das nach § 60 HGB grundsätzlich während der Vertragsdauer besteht, bei einem Dritten tätig wird (BAG v. 17.10.2012 – 10 AZR 809/11, PM 73/12).

Musterformulierung:

Erzielt der Arbeitnehmer während der Dauer der Freistellung anderweitig einen Verdienst, wird dieser auf das vom Arbeitgeber während der Freistellung zu zahlende Arbeitsentgelt angerechnet. Der Arbeitnehmer hat dem Arbeitgeber die Aufnahme einer derartigen Tätigkeit sowie die Höhe des erteilten Verdienstes jeweils unverzüglich mitzuteilen.

Der Arbeitgeber muss zusätzlich aber auch die Folgen für das grundsätzlich auch während der Freistellung geltende gesetzliche Wettbewerbsverbot iSd § 60 HGB beachten. Bei einer Freistellung unter Anrechnung eines anderweitig erzielten Verdienstes soll der Arbeitnehmer keinem Wettbewerbsverbot mehr unterliegen, sofern nichts anderes vereinbart ist (BAG v. 6.9.2006 – 5 AZR 703/05). Aus Sicht des Arbeitgebers ist daher dringend zu empfehlen, den Fortbestand des gesetzlichen Wettbewerbsverbots ausdrücklich zu vereinbaren, wenn eine Freistellung aufgenommen wird.

Musterformulierung:

Das gesetzliche Wettbewerbsverbot nach § 60 HGB gilt auch während der Freistellung und damit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Bedenken muss der Arbeitgeber auch die Auswirkungen einer derartigen Anrechnung auf die Anrechnung des Resturlaubs während der Freistellungsphase. Sicherheitshalber sollte er den Zeitraum, in dem der Urlaub erteilt wird, datumsmäßig in dem Aufhebungsvertrag festlegen, um dem Einwand zu begegnen, der Arbeitnehmer habe die Urlaubslage nicht frei bestimmen können, da er ein anderweitiges Arbeitsverhältnis eingegangen sei. Gleichzeitig sollte geregelt werden, dass der Resturlaub sich bei einer Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers während der festgelegten Zeit entsprechend verschiebt.

 

Weiterführende Literatur:

Kleinebrink, Grundsätze der inhaltlichen Gestaltung außergerichtlicher Aufhebungsverträge, Der Arbeits – Rechts – Berater, 2008, 121ff

Kleinebrink, Besondere Regelungen in Aufhebungsverträgen, Der Arbeits – Rechts – Berater 2008,153ff

Tipp Nr.45: Kostenkontrolle bei Überstunden

Das Ziel:

Wichtig ist daher, Strategien zu entwickeln, um tatsächlich anfallende Überstunden kostenmäßig so weit wie möglich nicht berücksichtigen zu müssen.

Die falsche Strategie:

Strategisch falsch wäre es, generell zu vereinbaren, dass jede vom Arbeitnehmer nachweisbar geleistete Überstunden vergütet wird, da nicht alle Personengruppen im Unternehmen ohne eine derartige Vereinbarung überhaupt einen Anspruch auf Vergütung von Überstunden haben. Es gibt keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jede Mehrarbeitszeit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zu vergüten ist.

Die richtige Strategie:

Vom Arbeitgeber ist zu ermitteln, ob einem Arbeitnehmer ohne eine vertragliche Regelung ein Anspruch auf die Vergütung von Überstunden zusteht. Ein derartiger Anspruch kann sich insbesondere aus einem Tarifvertrag ergeben, der auf das Arbeitsverhältnis anwendbar ist. Fehlt es an einer außervertraglichen Anspruchsgrundlage, muss der Arbeitgeber feststellen, ob eine Vergütung nach § 612 Abs. 1 BGB  als stillschweigend vereinbart gilt, da die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist (BAG vom 27.6.2012 – 5 AZR 530/11).

Hieran fehlt es z.B. dann, wenn

– arbeitszeitbezogene und arbeitszeitunabhängige vergütete Arbeitsleistungen zeitlich verschränkt sind (BAG vom 21.9.2012 – 5 AZR 629/10; Tätigkeit eines Versicherungsmaklers auf Provisionsbasis zusammen mit Tätigkeit eines Büroleiters) oder

– Dienste höherer Art geschuldet sind (BAG vom 17.8.2011 – 5 AZR 406/10) oder

– insgesamt eine deutlich herausgehobene Vergütung gezahlt wird z.B. wegen Überschreitung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung (BAG vom 22.2.2012 – 5 AZR 765/10, derzeit 2013 West: 5.800 Euro/Monat = 69.600 Euro/Jahr;  2013 Ost: 4.900 Euro/Monat = 58.800 Euro/Jahr) oder Bezugs einer nicht unerheblichen Provision für einen Teil der ausgeübten Tätigkeit (BAG vom 27.6.2012 – 5 AZR 530/11, zwischen 30% und 49% der Festvergütung)

In diesen Fällen ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, bei tatsächlich geleisteten Überstunden für diese eine zusätzliche Vergütung zu zahlen. Er kann frei entscheiden, ob er dennoch eine vertragliche Regelung aufnimmt, in der z.B. die Vergütung eines Teils der Überstunden geregelt ist.

Tipp Nr. 44: Strategien zur Vermeidung einer Zurückweisung einer Kündigung wegen mangelnder Vollmachtsvorlage

In der Praxis ist es für Arbeitgeber äußerst schwierig zu beurteilen, ob eine beabsichtigte Kündigung rechtmäßig sein wird. Umso ärgerlicher ist es deshalb, wenn Gerichte auf eine entsprechende Klage des Arbeitnehmers sich noch nicht einmal mit den Kündigungsgründen beschäftigen, sondern die Kündigung bereits aufgrund formaler Mängel für unwirksam halten. Derartige formale Fehler gilt es in jedem Fall zu vermeiden.

Das Ziel:

Die Organe einer Gesellschaft, zB der Geschäftsführer einer GmbH, sind in der Praxis häufig nicht greifbar, wenn eine Kündigung unterschrieben werden muss. Es muss deshalb das Ziel von Arbeitgebern sein, von der Anwesenheit der Organe bei der Erklärung einer Kündigung unabhängig zu sein. Ansonsten droht nicht nur eine spätere Wirksamkeit der Kündigung, da aufgrund einer spätere Unterschrift unter die Kündigung diese später zugeht und das Ende der Kündigungsfrist hinausgeschoben wird; bei einer außerordentlichen Kündigung kann die Kündigung in einem solchen Fall sogar unwirksam werden, wenn die fehlende Anwesenheit eines Organs dazu führt, dass die Kündigung nicht erklärt werden kann und deshalb zum Nachteil des Arbeitgebers die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB greift.

Die falsche Strategie:

Strategisch falsch wäre es, in einem solchen Fall die Kündigung von irgendeinem anderen Mitarbeiter des Unternehmens unterzeichnen zu lassen. Der Arbeitnehmer, der die Kündigung erhält, kann nämlich diese Kündigung zurückweisen, wenn der Bevollmächtigte ihm nicht eine Vollmachtsurkunde im Original vorlegt. Die Kündigung wird nach § 174 Satz 1 BGB allein dadurch unwirksam. Einer Vorlage einer solchen Vollmacht  bedarf es lediglich dann nicht, wenn der Erklärende kraft Gesetzes befugt ist, eine solche Kündigung zu erklären, wie dies insbesondere bei Organen von Gesellschaften der Fall ist, oder der Arbeitgeber den die Kündigung erklärenden Arbeitnehmer allgemein rechtsgeschäftlich bevollmächtigt hat, Erklärungen für ihn abzugeben, wie dies zB bei einem Prokuristen mit Einzelprokura der Fall ist. Auch ein Personalleiter soll nach der Rechtsprechung in der Lage sein, ohne eine derartige Vollmachtsvorlage eine Kündigung erklären zu können, weil der Arbeitgeber ihn in eine Position berufen hat, mit der im allgemeinen das Kündigungsrecht verbunden ist. Bereits dies ist aber schon in vielen Fällen äußerst unsicher.

Die richtige Strategie:

Der Arbeitgeber muss deshalb ein Interesse daran haben, möglichst flexibel zu sein, wenn es darum geht, Kündigung zu erklären. Dies ist nur möglich, wenn der Bevollmächtigte eine solche Kündigung aussprechen kann, ohne eine Vollmacht im Original vorlegen zu müssen. Diese müsste nämlich wiederum von einem gesetzlich oder rechtsgeschäftlich zur Vertretung des Arbeitgebers berufenen Arbeitnehmer ausgestellt sein.

Der Arbeitgeber bzw. das gesetzlich berufene Organ kann einen nicht zu Kündigung berechtigten Arbeitnehmer allgemein bevollmächtigen, Kündigungen gegenüber allen Arbeitnehmern oder gegenüber bestimmten Arbeitnehmergruppen zu erklären. Empfehlenswert ist, eine so genannte Außenvollmacht iSd § 167 Abs. 1 2. Alt. BGB zu erteilen. Hierbei handelt es sich um eine Vollmacht, die entweder einem Arbeitnehmer nachweisbar übergeben oder  an für eventuell betroffene Arbeitnehmer deutlich sichtbarer Stelle ausgehängt wird.

Musterformulierung:Herr/Frau … (Name) ist berechtigt, gegenüber allen Arbeitnehmern (oder gegenüber den Arbeitnehmern der Abteilung… ) jede Art von Kündigungen zu erklären.

Ort, Datum Unterschrift

Auf diese Weise vermeidet der Arbeitgeber eine zur Unwirksamkeit der Kündigung führende Zurückweisung durch den Arbeitnehmer und erhält gleichzeitig eine größtmögliche Flexibilität für eine rechtzeitige Erklärung einer solchen Kündigung. Nicht empfehlenswert ist, eine entsprechende allgemeine Vollmacht in den Arbeitsvertrag aufzunehmen. Ändert sich die Person desjenigen, dem eine entsprechende Außenvollmacht erteilt wird, würde ansonsten immer eine Vertragsänderung erforderlich sein.

Tipp Nr. 43: Der strategisch richtige Umgang mit dem Erholungsurlaub bei langandauernder Arbeitsunfähigkeit

Bisher war unklar, wie ein Arbeitnehmer mit dem Erholungsurlaub zu verfahren hat, der einem Arbeitnehmer nach einer langandauernden Arbeitsunfähigkeit zusteht (siehe Tipp 29). Nunmehr sorgt eine Entscheidung des BAG vom 7.8.2012 – 9 AZR 353/10 für Klarheit und ermöglicht dem Arbeitgeber ein strategisches Vorgehen.

Das Ziel:

Sind Arbeitsnehmer langandauernd Arbeitsunfähigkeit, haben Arbeitgeber regelmäßig kein Interesse daran, diesen Arbeitnehmern nach deren Rückkehr an den Arbeitsplatz den gesamten Urlaub zu gewähren, der rechnerisch während der Zeit der langandauernden Arbeitsunfähigkeit entstanden ist. Ebenso möchten sie bei einem späteren Ausscheiden dieser Arbeitnehmer eine Urlaubsabgeltung in entsprechender Höhe leisten.

Die falsche Strategie:

Strategisch falsch wäre es, davon auszugehen, dass während einer länger andauernden Arbeitsunfähigkeit oder beim Bezug einer Erwerbsminderungsrente überhaupt kein Urlaubsanspruch entsteht. Ebenso falsch wäre es aber, ohne weitere Nachprüfung den gesamten Urlaub, der rechnerisch während der bestehenden Arbeitsunfähigkeit oder während des Bezugs einer Erwerbsminderungsrente entstanden ist, nachträglich zu gewähren oder bei einem Ausscheiden des Arbeitnehmers abzugelten.

Die richtige Strategie:

Arbeitgeber können berücksichtigen, dass auch bei einer langandauernden Arbeitsunfähigkeit oder während des Bezugs einer Erwerbsminderungsrente ein während dieser Zeit entstandener Urlaubsanspruch verfallen kann.

In einem  ersten Schritt muss der Arbeitgeber zwischen dem gesetzlichen Urlaub und einem übergesetzlichen Urlaub unterscheiden.

Ein übergesetzlicher Urlaub, z.B. ein nach einem Tarifvertrag über den gesetzlichen Urlaubsanspruch von 4 Wochen hinaus bestehender Zusatzurlaub von 2 Wochen, verfällt weiter trotz einer eventuell weiterbestehen Arbeitsunfähigkeit zu dem in diesem Zusammenhang, z.B. im Tarifvertrag, genannten Zeitpunkt. Ist dieser nicht angegeben, gilt auch insoweit die gesetzliche Regelung des Verfalls zum 31. März des Folgejahres (§ 7 Abs. 3 S. 3 BurlG). Voraussetzung ist aber, dass in den Regelungswerken deutlich zwischen dem gesetzlichen Urlaub und diesem übergesetzlichen Urlaub getrennt wird, indem z.B. vom Bundesurlaubsgesetz abweichende Regelungen enthalten sind.

In einem zweien Schritt ist dann der Verfallzeitpunkt für den gesetzlichen Urlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz und gegebenenfalls nach den für Schwerbehinderte und diesen Gleichgestellte geltenden Regelungen des SGB IX zu ermitteln. Ist im ersten Schritt festgestellt worden, dass der übergesetzliche Urlaub nicht vom gesetzlichen Urlaub getrennt werden kann, teilt dieser das Schicksal des Verfalls beim gesetzlichen Urlaub.

Bei langjährig arbeitsunfähigen Arbeitnehmern ist nach der genannten Entscheidung des BAG § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG, wonach im Fall der Übertragung der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden muss, unionsrechtskonform so auszulegen, dass der gesetzliche Urlaubsanspruch 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfällt.

Beispiel:ein Arbeitnehmer ist seit dem 1.1.2009 andauernd arbeitsunfähig. Er scheidet zum 31.12.2012 aus dem Arbeitsverhältnis aus. Der auf den Arbeitsvertrag anwendbare Tarifvertrag unterscheidet deutlich zwischen den gesetzlichen Urlaub und dem übergesetzlichen Urlaub von 2 Wochen. Der Arbeitnehmer ist nicht schwerbehindert oder gleichgestellt.

Der gesetzliche Urlaubsanspruch für das Jahr 2009 ist am 31.3.2011 verfallen. Der übergesetzliche Urlaub für das Jahr 2009 ist – sofern der Tarifvertrag keine abweichende Regelung enthält – am 31.3.2010 verfallen.

Der gesetzliche Urlaubsanspruch für das Jahr 2010 ist am 31.3.2012 verfallen. Der übergesetzliche Urlaub für das Jahr 2010 ist – sofern der Tarifvertrag keine abweichende Regelung enthält – am 31.3.2011 verfallen.

Der gesetzliche Urlaubsanspruch für das Jahr 2011 ist nicht verfallen (ein Verfall wäre nur dann eingetreten, wenn der Arbeitnehmer über den 31.3.2013 hinaus arbeitsunfähig gewesen wäre). Der übergesetzliche Urlaubsanspruch für das Jahr 2011 ist am 31.3.2012 verfallen, sofern der Tarifvertrag keine abweichende Regelung enthält.

Der gesetzliche und der übergesetzliche Urlaubsanspruch für das Jahr 2012 sind nicht verfallen.

Abzugelten sind damit insgesamt 10 Wochen Urlaub. Unerheblich ist, ob der Arbeitnehmer arbeitsfähig oder arbeitsunfähig aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist, da der Urlaubsabgeltungsanspruch nach neuerer Rechtsprechung des BAG kein Ersatz mehr für die Urlaub in Natur ist, sondern einen eigenen finanziellen Anspruch darstellt (siehe nur BAG vom 19.6.2012 – 9 AZR 652/10).