Tipp Nr. 90: Neuer befristeter Vertrag als Strategie zur Rettung unwirksamer Befristungen

Stellt ein Arbeitgeber fest, dass die zwischen ihm und einem Arbeitnehmer vereinbarte Befristung eines Arbeitsvertrages unwirksam ist, steht er vor der Frage, ob und ggf. welche rechtlichen Möglichkeiten es gibt, die dadurch nach § 16 TzBfG eintretende und von ihm gerade nicht gewünschte Rechtsfolge eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses zu vermeiden. Eine Unwirksamkeit einer – sachgrundlosen – Befristung iSd § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG kann z.B. dadurch eintreten, dass der Arbeitgeber das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht beachtet. Demnach darf eine erneute sachgrundlose Befristung mit demselben Arbeitgeber innerhalb von drei Jahren nicht vereinbart werden (BAG 6.4.2011 – 7 AZR 716/09).

Die falsche Strategie:

Strategisch falsch wäre es abzuwarten, ob der Arbeitnehmer sich auf die Unwirksamkeit der Befristung beruft. Will der Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Befristung des Arbeitsverhältnisses unwirksam ist, so muss er nach § 17 TzBfG erst innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des „befristeten“ Arbeitsverhältnisses Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, das das Arbeitsverhältnis auf Grund der Befristung nicht beendet ist. Ein vertraglich vereinbarter Verzicht auf die spätere Geltendmachung der Unwirksamkeit der Befristung wäre unwirksam. Dies ergibt sich aus den nach § 22 TzBfG zugunsten des Arbeitnehmers zwingenden Grundsätzen der Befristungskontrolle. Die Unsicherheit gilt es – soweit wie möglich – im Vorfeld zu beseitigen.

Die richtige Strategie.

Die richtige Strategie des Arbeitgebers besteht darin, in einem solchen Fall mit dem Arbeitnehmer einen neuen – nun rechtswirksam – befristeten Vertrag abzuschließen. Bei mehreren aufeinander folgenden befristeten Arbeitsverträgen prüfen die Gerichte grundsätzlich nur die Befristung des letzten Arbeitsvertrags auf ihre Rechtswirksamkeit. Durch den Abschluss eines weiteren befristeten Arbeitsvertrags stellen die Parteien ihr Arbeitsverhältnis auf eine neue Rechtsgrundlage, die künftig für ihre Rechtsbeziehungen allein maßgebend ist. Damit wird zugleich ein etwaiges unbefristetes Arbeitsverhältnis aufgehoben, das aufgrund des ersten unwirksamen unbefristeten Vertrags entstanden war (BAG v. 14.2.2007 – 7 AZR 95/06,).

Will ein Arbeitnehmer eine Rettung einer unwirksamen Befristung durch den Arbeitgeber verhindern, muss er sich in dem weiteren befristeten Vertrag, den der Arbeitgeber mit ihm schließen will, eine rechtliche Überprüfung der Wirksamkeit der Befristung des bisherigen Vertrags vorbehalten. Enthält der neue Vertrag keinen solchen Vorbehalt. Ist der Rettungsversuch des Arbeitgebers gelungen.

Tipp Nr. 89: Strategische Gestaltung von Betriebsvereinbarungen zu freiwilligen Zuwendungen

Regelt eine Betriebsvereinbarung zusätzliche freiwillige Sozialleistungen des Arbeitgebers – insbesondere betriebliche Ruhegelder, Gratifikationen, Jubiläumszuwendungen) oder über – bzw. außertarifliche Lohnzuschläge, ist eine solche Betriebsvereinbarung teilmitbestimmt. Mitbestimmungspflichtige und mitbestimmungsfreie Regelungen stehen nebeneinander. Der Arbeitgeber ist einerseits frei darin zu bestimmen, ob er überhaupt derartige Leistungen erbringt, in welcher Höhe dies gegebenenfalls geschieht (Dotierungsrahmen) und wie sich der begünstigte Personenkreis zusammensetzt.

Derartige Sonderzuwendungen kann der Arbeitgeber mitbestimmungsfrei vollständig einstellen oder proportional unter Wahrung der Verteilungsgrundsätze kürzen. Will er hingegen die Sonderzuwendungen lediglich kürzen, muss er die bisherigen Leistungen weiter gewähren, bis eine neue Regelung zwischen ihm und dem Betriebsrat hinsichtlich der Verteilung des verringerten Dotierungsrahmen getroffen worden ist (BAG v. 17.05.2011 – 1 AZR 797/09).

Die falsche Strategie:

Erbringt der Arbeitgeber nicht nur eine freiwillige Sozialleistung, sondern mehrere, kann zwischen ihm und dem Betriebsrat streitig werden, ob bei der Einstellung einer dieser freiwilligen Sozialleistungen ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht, weil die andere freiwillige Sozialleistung weiter gewährt wird und deshalb tatsächlich nur eine Kürzung des Dotierungsrahmen vorliegen könnte.

Strategisch falsch wäre es, verschiedene Sonderzuwendungen in einer Betriebsvereinbarung zu regeln. Maßgeblich für die Frage, ob tatsächlich eine einheitliche Regelung vorliegt, die bei Streichung einer Sonderzuwendung zu einem nur verringerten Dotierungsrahmen und dem entsprechenden Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates führt, ist in erster Linie die zwischen den Betriebspartnern getroffene Abrede (BAG v. 5.10.2010 – 1 ABR 20/09). Für voneinander abhängige Vergütungsregelungen kann in diesem Zusammenhang sprechen, wenn sie in einer einzigen Betriebsvereinbarung zusammengefasst sind (vgl. auch LAG Hamm v. 23.6.2015 – 7 TaBV 21/15).

Die richtige Strategie.

Die richtige Strategie des Arbeitgebers besteht folglich darin, über jede freiwillige Sonderzuwendung eine gesonderte Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat zu treffen. Für eine unabhängige Vergütungsregelung spricht nämlich, wenn diese in einer gesonderten Betriebsvereinbarung geregelt und gesondert mitbestimmt wird (BAG v. 5.10.2010 – 1 ABR 20/09).

Ferner sollte in jeder dieser Betriebsvereinbarungen ausdrücklich klargestellt werden, dass es sich insoweit um Leistungen handelt, die völlig unabhängig von etwaigen sonstigen betrieblichen Vergütungsvereinbarungen und etwaigen sonstigen Regelungen über Sonderzuwendungen sind. Mangels höchstrichterlicher Rechtsprechung ist ansonsten nicht auszuschließen, dass Gerichte bei der Streichung einer Sonderzuwendung ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats hinsichtlich der verbleibenden Sonderzuwendung und ihrer Verteilung annehmen, weil immer der einheitliche Leistungszweck “Erhöhung der Vergütung“ betroffen ist (so auch Boemke, jurisPR-ArbR 46/2015 Anm. 1).

Tipp Nr. 88: Strategische Gestaltung des Inhalts einer Abmahnung – Darstellung der Pfilchtverletzung

Regelmäßig ist vor Erklärung einer rechtmäßigen Kündigung zumindest eine vergebliche Abmahnung erforderlich. Bei der inhaltlichen Gestaltung einer solchen Abmahnung werden jedoch häufig in der Praxis Fehler begangen, die zur Unwirksamkeit einer solchen Abmahnung und damit ggf. auch zur Unwirksamkeit einer Kündigung führen, die eine solche Abmahnung vorbereiten sollte.

Die falsche Strategie:

Strategisch falsch ist es regelmäßig, in einer Abmahnung mehrerer Pflichtverletzungen zu beanstanden. Enthält eine Abmahnung mehrere Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers, kann die Abmahnung nach Ansicht des BAG bereits dann insgesamt unwirksam sein, wenn es dem Arbeitgeber in einem evtl. Rechtsstreit nicht gelingt, jedes gerügte Fehlverhalten darzulegen und ggf. zu beweisen (vgl. nur BAG 13.03.1991 – 5 AZR 133/90).

Die richtige Strategie:

Vorsorglich sollte der Arbeitgeber regelmäßig in eine Abmahnung nur jeweils eine Pflichtwidrigkeit des Arbeitnehmers aufnehmen.

Ausnahmsweise kann es indes geboten sein, mehrere Pflichtverletzungen in einer Abmahnung zusammenzufassen. Dies sollte geschehen, wenn die einzelne Pflichtverletzung allein nicht gravierend genug ist, für sich genommen eine Abmahnung zu rechtfertigen, d.h. eine Abmahnung unverhältnismäßig wäre.

Beispiel:

Der Arbeitnehmer nimmt immer einen Busverbindung, die dazu führt, dass er regelmäßig 5 Minuten zu spät zur Arbeit kommt. Das einmalige Zuspätkommen rechtfertigt keine Abmahnung; diese wäre unverhältnismäßig. Das regelmäßige Zuspätkommen rechtfertigt indes dann die Abmahnung. Die einzelnen Verspätungen müssen nach Datum und Uhrzeit zusammen in die Abmahnung aufgenommen werden.

 

Ausführlich: Kleinebrink, Handbuch zum Arbeitsrecht (HzA) Gruppe 5 Teilbereich 2 Bearbeitung 10/2014 Rz. 1822ff.

Tipp Nr. 87: Strategie bei einer versuchten Verhinderung eines Zugangs einer Kündigung durch den anwesenden Arbeitnehmer

Eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, wird nach § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn sie in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchen sie ihm zugeht. Eine gesetzliche Regelung für den Zugang unter Anwesenden fehlt. Das BAG wendet § 130 BGB entsprechend an. Bei einer Kündigung, die ein Arbeitgeber gegenüber einem Arbeitnehmer aussprechen möchte, handelt es sich um eine solche Willenserklärung. Unsicherheiten entstehen häufig bei Arbeitgebern, wenn ein Arbeitnehmer versucht, den Zugang einer solchen Kündigung zu verhindern.

Die falsche Strategie:

Will ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer eine Kündigung persönlich aushändigen, wäre es strategisch falsch, wenn er das Kündigungsschreiben wieder an sich nimmt, nachdem der Arbeitnehmer es abgelehnt hat, diese entgegenzunehmen. In diesem Fall wäre die Kündigung nicht zugegangen und damit nicht wirksam.

Die richtige Strategie:

Eine Kündigung als verkörperte Willenserklärung geht unter Anwesenden zu – und wird damit entsprechend § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB wirksam -, wenn sie durch Übergabe in den Herrschaftsbereich des Empfängers gelangt. Es kommt nicht darauf an, ob der Empfänger die Verfügungsgewalt über das Schriftstück dauerhaft erlangt. Es genügt die Aushändigung und Übergabe an den Arbeitnehmer, so dass dieser in der Lage ist, vom Inhalt der Kündigung Kenntnis zu nehmen. Das Schreiben muss so in seine tatsächliche Verfügungsgewalt gelangen, dass für ihn die Möglichkeit der Kenntnisnahme besteht.

Der Zugang einer Kündigung unter Anwesenden ist daher auch dann bewirkt, wenn das Schriftstück dem Empfänger mit der für ihn erkennbaren Absicht, es ihm zu übergeben, angereicht und, falls er die Entgegennahme ablehnt, so in seiner unmittelbaren Nähe abgelegt wird, dass er es ohne Weiteres an sich nehmen und von seinem Inhalt Kenntnis nehmen kann (BAG 26.3.2015 – 2 AZR 483/14).

Der Arbeitgeber muss folglich nichts weiter tun, als in diesem Fall das Kündigungsschreiben vor den Arbeitnehmer, zum Beispiel auf einen Tisch, hinzulegen und es dort liegen lassen. In diesem Fall bleibt dem Arbeitnehmer die Möglichkeit der Kenntnisnahme. Der Arbeitnehmer muss sich so behandeln lassen, als ob ihm das Kündigungsschreiben zu diesem Zeitpunkt zugegangen ist. Nicht erforderlich ist, dass der Arbeitgeber den Zugang noch auf sonstige Weise, zum Beispiel durch Einwurf in den Hausbriefkasten des Arbeitnehmers, bewirkt.

Tipp Nr. 86: Erleichterung der Teilung des Urlaubs

Einem Arbeitnehmer steht nach dem Gesetz (§ 3 BUrlG) ein Erholungsurlaub von jährlich 4 Wochen zu. Tarifverträge oder sonstige Rechtsgrundlagen können einen längeren Urlaubsanspruch vorsehen. Nach § 7 Abs. 2 BUrlG ist der Urlaub zusammenhängend zu gewähren, sofern dem nicht dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe entgegenstehen. Kann der Urlaub aus zumindest einem dieser Gründe nicht zusammenhängend gewährt werden, und hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf mehr als 12 Werktage, so muss einer der Urlaubsteile mindestens 12 aufeinanderfolgende Werktage betragen (§ 7 Abs. 2 Satz 2 BUrlG). Da das Gesetz von der 6-Tage-Woche ausgeht (§ 3 Abs. 2 BUrlG), sind dies 2 Wochen.

Die falsche Strategie:

Strategisch falsch wäre es, allein auf diesen Teil des Gesetzes abzustellen, da der Arbeitgeber dann evtl. gegebene Flexibilisierungsmöglichkeiten nicht nutzt.

Die richtige Strategie:

Nutzen kann ein Arbeitgeber u.U. die Flexibilisierungsmöglichkeit des § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG. Nach dieser Vorschrift kann insbesondere durch Arbeitsvertrag von der zweiwöchigen Mindestdauer des Urlaubs, die auch bei Vorliegen  dringender betrieblicher oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe beachtet werden muss, abgewichen werden. Arbeitgeber sollten deshalb in Arbeitsverträgen regeln, dass bei Vorliegen  dringender betrieblicher oder in der Person des Arbeitnehmers liegender Gründe, die gegen eine zusammenhängende Gewährung des vollen Urlaubs sprechen, der zusammenhängende Urlaub lediglich z.B. eine Woche betragen muss. Beachten müssen Arbeitgeber allerdings, dass auf das Arbeitsverhältnis anwendbare Tarifverträge andere Regelungen enthalten können, die dann zu beachten sind, sofern der entsprechende Tarifvertrag keine Öffnungsklausel enthält.