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Tipp Nr. 87: Strategie bei einer versuchten Verhinderung eines Zugangs einer Kündigung durch den anwesenden Arbeitnehmer

Eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, wird nach § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn sie in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchen sie ihm zugeht. Eine gesetzliche Regelung für den Zugang unter Anwesenden fehlt. Das BAG wendet § 130 BGB entsprechend an. Bei einer Kündigung, die ein Arbeitgeber gegenüber einem Arbeitnehmer aussprechen möchte, handelt es sich um eine solche Willenserklärung. Unsicherheiten entstehen häufig bei Arbeitgebern, wenn ein Arbeitnehmer versucht, den Zugang einer solchen Kündigung zu verhindern.

Die falsche Strategie:

Will ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer eine Kündigung persönlich aushändigen, wäre es strategisch falsch, wenn er das Kündigungsschreiben wieder an sich nimmt, nachdem der Arbeitnehmer es abgelehnt hat, diese entgegenzunehmen. In diesem Fall wäre die Kündigung nicht zugegangen und damit nicht wirksam.

Die richtige Strategie:

Eine Kündigung als verkörperte Willenserklärung geht unter Anwesenden zu – und wird damit entsprechend § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB wirksam -, wenn sie durch Übergabe in den Herrschaftsbereich des Empfängers gelangt. Es kommt nicht darauf an, ob der Empfänger die Verfügungsgewalt über das Schriftstück dauerhaft erlangt. Es genügt die Aushändigung und Übergabe an den Arbeitnehmer, so dass dieser in der Lage ist, vom Inhalt der Kündigung Kenntnis zu nehmen. Das Schreiben muss so in seine tatsächliche Verfügungsgewalt gelangen, dass für ihn die Möglichkeit der Kenntnisnahme besteht.

Der Zugang einer Kündigung unter Anwesenden ist daher auch dann bewirkt, wenn das Schriftstück dem Empfänger mit der für ihn erkennbaren Absicht, es ihm zu übergeben, angereicht und, falls er die Entgegennahme ablehnt, so in seiner unmittelbaren Nähe abgelegt wird, dass er es ohne Weiteres an sich nehmen und von seinem Inhalt Kenntnis nehmen kann (BAG 26.3.2015 – 2 AZR 483/14).

Der Arbeitgeber muss folglich nichts weiter tun, als in diesem Fall das Kündigungsschreiben vor den Arbeitnehmer, zum Beispiel auf einen Tisch, hinzulegen und es dort liegen lassen. In diesem Fall bleibt dem Arbeitnehmer die Möglichkeit der Kenntnisnahme. Der Arbeitnehmer muss sich so behandeln lassen, als ob ihm das Kündigungsschreiben zu diesem Zeitpunkt zugegangen ist. Nicht erforderlich ist, dass der Arbeitgeber den Zugang noch auf sonstige Weise, zum Beispiel durch Einwurf in den Hausbriefkasten des Arbeitnehmers, bewirkt.