Tipp Nr. 28: Strategien zur Berichtigung fehlerhafter Unterrichtungen des Betriebsrats bei Einstellungen

In Unternehmen mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber den Betriebsrat u.a. vor jeder Einstellung zu unterrichten. Er hat ihm in diesem Zusammenhang nach § 99 Abs. 1 BetrVG die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen und Auskunft über die Person der Beteiligten zu geben. Außerdem hat der Arbeitgeber insbesondere den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz und die vorgesehene Eingruppierung mitzuteilen.

 

Will der Betriebsrat seine Zustimmung zu einer solchen Einstellung verweigern, so hat er dies nach § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG unter Angabe von Gründen innerhalb einer Woche nach Unterrichtung durch den Arbeitgeber diesem schriftlich mitzuteilen. Teilt der Betriebsrat dem Arbeitgeber die Verweigerung seiner Zustimmung nicht innerhalb dieser Frist schriftlich mit, so gilt nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG die Zustimmung als erteilt.

 

Das „tückische“ für den Arbeitgeber ist allerdings in diesem Zusammenhang, dass die Wochenfrist nicht beginnt – und folglich auch die Fiktion der Zustimmung des Betriebsrats nicht greift –, wenn die Unterrichtung des Betriebsrats nicht ordnungsgemäß erfolgt ist. Eine solche nicht ordnungsgemäße Unterrichtung liegt vor, wenn die Unterrichtung unvollständig ist oder die Angaben, die der Arbeitgeber dem Betriebsrat mitteilt, nicht den Tatsachen entsprechen (BAG v, 1.6.2011 –7 ABR 18/10). Hat der Betriebsrat sich auf Zustimmungsverweigerungsgründe nach § 99 Abs. 2 BetrVG berufen und der Arbeitgeber deshalb das Verfahren zur Zustellungsersetzung nach § 99 Abs. 4 BetrVG eingeleitet, kann ein Gericht folglich die Zustimmung – unabhängig von den vom Betriebsrat vorgebrachten Gründen – nicht ersetzen. Anders wäre dies nur bei unrichtigen Angaben über Tatsachen und Umstände zu sehen, die offensichtlich keinen Bezug zu einem möglichen Zustimmungsverweigerungsgrund haben und über die der Betriebsrat demzufolge von vornherein nicht zu unterrichten wäre (BAG v, 1.6.2011 –7 ABR 18/10). Die Frist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG wird grundsätzlich auch dann nicht in Lauf gesetzt, wenn es der Betriebsrat unterlässt, den Arbeitgeber auf die offenkundige Unvollständigkeit oder Fehlerhaftigkeit der Unterrichtung hinzuweisen (BAG v, 1.6.2011 –7 ABR 18/10).

 

Die falsche Strategie:

Taktisch nicht sinnvoll wäre es, wenn ein Arbeitgeber, der im gerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahren feststellt, dass die Angaben im Rahmen der Einstellung nach § 99 Abs. 1 BetrVG unvollständig oder unrichtig gewesen sind und deshalb die Wochenfrist nicht begonnen hat, ohne weitere Prüfung den Antrag zurücknimmt und außergerichtlich erneut dem Betriebsrat nach § 99 BetrVG beteiligt. Hiermit kann ein vermeidbarer Zeitverlust verbunden sein.

 

Die richtige Strategie

In Fällen, in denen der Betriebsrat auf eine unvollständige oder unrichtige Unterrichtung hin seine Zustimmung verweigert hat, kann der Arbeitgeber auch noch im Zustimmungsersetzungsverfahren die fehlenden Informationen nachholen bzw. falsche Informationen berichtigen. Mit der Nachholung bzw. Berichtigung der Unterrichtung wird nun die Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG in Lauf gesetzt. Für den Betriebsrat muss allerdings erkennbar sein, dass der Arbeitgeber die Informationen während des Zustimmungsersetzungsverfahrens auch deswegen vervollständigt, weil er seiner gegebenenfalls noch nicht vollständig erfüllten Unterrichtungspflicht aus § 99 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BetrVG nachkommen möchte. Das muss nicht ausdrücklich geschehen, sondern kann sich aus den Umständen der nachgereichten Informationen ergeben. Das Zustimmungsersuchen muss nicht wiederholt werden. Ein Hinweis darauf, dass jetzt die Zustimmungsverweigerungsfrist für den Betriebsrat erneut zu laufen beginnt, ist nicht erforderlich (BAG v, 1.6.2011 –7 ABR 18/10).

 

Die ergänzende Information des Betriebsrats kann auch durch einen in einem gerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahren eingereichten Schriftsatz oder ihm beigefügte Anlagen erfolgen. Dem steht nicht entgegen, dass unmittelbarer Adressat nicht der Betriebsrat, sondern das Gericht ist. In einem solchen Fall besteht allerdings die erhebliche Gefahr, dass der Betriebsrat die Mitteilung nicht als ergänzende abschließende Unterrichtung versteht und auch nicht als solche verstehen muss. Der Lauf der Frist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG beginnt in einem derartigen Fall zudem erst dann, wenn die Mitteilung beim Vorsitzenden des Betriebsrats eingeht. Das Risiko einer verspäteten oder unterbliebenen Weiterleitung trägt der Arbeitgeber (BAG v, 1.6.2011 –7 ABR 18/10)

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Taktisch richtig wäre es folglich bei einer unvollständigen oder unrichtigen Unterrichtung des Betriebsrats bei einer Einstellung eines Arbeitnehmers, noch im Laufe des Zustimmungsersetzungsverfahrens schriftlich unmittelbar gegenüber dem Betriebsratsratsvorsitzenden – oder bei Verhinderung gegenüber dem stellvertretenden Betriebsratsvorsitzende – die Angaben zu vervollständigen oder richtig zustellen. Empfehlenswert ist allerdings, dem Betriebsrat gegenüber schriftlich ausdrücklich zu erklären, dass dieser Unterrichtung gerade der Vervollständigung oder der Richtigstellung einer Fehlinformation im Rahmen des Verfahrens nach § 99 Abs. 1 BetrVG hinsichtlich der Einstellung des zu benennenden Arbeitnehmers erfolgt.

 

Dieser Weg empfiehlt sich allerdings nur dann, wenn die vom Betriebsrat vorgebrachten Zustimmungsverweigerungsgründe mit großer Wahrscheinlichkeit vom Gericht nicht anerkannt werden. Ansonsten kann es empfehlenswert sein, das Verfahren nach § 99 Abs. 1 BetrVG gegenüber dem Betriebsrat noch einmal – nun ordnungsgemäß – einzuleiten, um nunmehr nicht nur die Wochenfrist in Gang zu setzen, sondern auch erkannte Zustimmungsverweigerungsgründe zu beseitigen.

Tipp Nr. 27: Verhinderung und Bestellung eines Vertrauenskapitals

Zugunsten von Arbeitnehmern berücksichtigt das BAG neuerdings in Verfahren, die Kündigungen aufgrund schwerer Pflichtverletzungen, insbesondere Diebstähle und Unterschlagungen mit keinen oder geringen finanziellen Auswirkungen, zum Streitgegenstand haben wie z.B. im Fall „Emmely“, im Rahmen der Interessenabwägung ein „Vertrauenskapital“, das Arbeitnehmer durch eine lange beanstandungsfreie Betriebszugehörigkeit erworben haben (BAG v. 10.6.2010 – 2 AZR 549/09). Für Arbeitgeber stellt sich auf diesem Hintergrund im Vorfeld einer eventuellen Kündigung die Frage, welche Möglichkeiten es gibt zu verhindern, dass es zur Bildung eines solchen Vertrauenskapitals kommt oder wie ein eventuell bereits erworbenes Vertrauenskapital im Vorfeld einer Kündigung wieder abgebaut werden kann, damit ein Gericht ihnen im Fall einer Kündigung ein solches Vertrauenskapital nicht mehr entgegenhalten kann.

Die falsche Strategie:

Taktisch nicht klug wäre es vom Arbeitgeber bei einer derartigen schweren Pflichtverletzung immer zunächst eine Abmahnung zu erklären und erst bei einer weiteren zumindest gleichartigen Pflichtverletzung eine fristlose – oder fristgerechte – Kündigung zu erklären. Er schränkt seine rechtlichen Möglichkeiten dadurch erheblich.

Die richtige Strategie

Ein Arbeitgeber kann bereits vor entsprechenden Pflichtverletzungen das Entstehen eines Vertrauenskapitals beim Arbeitnehmer insbesondere durch folgende Maßnahmen vermeiden:

– Vorweggenommene Abmahnung

– Vereinbarung von Kündigungsgründen im Arbeitsvertrag

– Hinweis auf Folgen in Ethik-Richtlinien

 

Ein bereits erworbenes Vertrauenskapital kann abgebaut oder zumindest verringert werden durch

– Ermahnungen

-Nicht rechtmäßige Abmahnungen, bei denen die Pflichtverletzung gegeben ist

– Nicht rechtmäßige Kündigungen, bei denen die Pflichtverletzung feststeht

– Erfolglose Zustimmungsersetzungsverfahren bei Organen der Betriebsverfassung, wenn die Pflichtverletzung feststeht

 

Außerdem sind alle Unterlagen, aus denen sich Hinweise auf eine nicht beanstandungsfreie Zusammenarbeit ergeben, ohne zeitliche Begrenzung in der Personalakte zu belassen. Für eine rechtmäßige Abmahnung, die allein aufgrund des Zeitablaufs nicht mehr geeignet ist, für einen evtl. späteren Kündigungsgrund  von Bedeutung zu sein, hat das BAG schon bisher die Möglichkeit eröffnet, derartige Abmahnungen solange in der Personalakte zu belassen, wie sie für die weitere berufliche Entwicklung des Arbeitnehmers noch eine Rolle spielen kann.  Im Hinblick auf die neue Bedeutung der Abmahnung im Rahmen einer Interessenabwägung ist dies ohne zeitliche Grenzen der Fall.  Nach der Aufwertung der Interessenabwägung durch das Vertrauenskapital muss dies auch für nicht rechtmäßige Abmahnungen und sonstige Erklärungen, die Pflichtverletzungen dokumentieren, gelten. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob der Arbeitnehmer die in der Erklärung dokumentierte Pflichtverletzung tatsächlich begangen hat. Hat er sie begangen, beseitigt die Erklärung ein aufgebautes Vertrauenskapital; hat er sie nicht begangen, besitzt die Erklärung zumindest eine Warnfunktion hinsichtlich der beanstandeten Pflichtverletzung und verhindert den Aufbau eines Vertrauenskapitals hinsichtlich des entsprechenden Pflichtenkreises

 

Ausführlich Kleinebrink, Arbeitgeberseitige Strategien zur Verhinderung eines Aufbaus und zum Abbau eines Vertrauenskapitals, BetriebsBerater 2011, 2617-2622

Tipp Nr. 26: Ausnahmen Kündigungsschutz Schwerbehindeter

Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses  eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber  bedarf nach § 85 SGB IX der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes. Das Integrationsamt ist nicht gezwungen, seine Entscheidung innerhalb einer bestimmten Frist zu treffen. § 88 Abs. 1 SGB IX sieht bei einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung lediglich vor, dass diese Behörde seine Entscheidung innerhalb eines Monats vom Tag des Eingangs des Antrags an treffen soll. Lediglich bei einer außerordentlichen Kündigung kann die Zustimmung zur Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen vom Tage des Eingangs des Antrags an nach § 91 Abs. 3 SGB IX getroffen werden. Wird innerhalb dieser Frist eine Entscheidung nicht getroffen, gilt die Zustimmung als erteilt.

Beabsichtigt der Arbeitgeber eine ordentliche Kündigung gegenüber einem schwerbehinderten Menschen, kann dies daher zu erheblichen Verzögerungen und damit verbundenen zusätzlichen personellen Fixkosten führen.

Die falsche Strategie:

Taktisch nicht klug wäre es vom Arbeitgeber bei einer derartigen beabsichtigten ordentlichen Kündigung, sogleich das Integrationsamt einzuschalten und dessen Entscheidung abzuwarten. Dies kann zu unnötigen Verzögerungen führen.

Die richtige Strategie

Zu empfehlen ist stattdessen, vor der Einschaltung des Integrationsamtes bei einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung eines schwerbehinderten Menschen zu prüfen, ob trotz des § 85 SGB IX die Einschaltung des Integrationsamtes überhaupt erforderlich ist. § 90 SGB IX sieht nämlich Ausnahmefälle vor, in denen die Kündigung auch ohne Beteiligung des Integrationsamtes ausgesprochen werden kann, von denen zwei für die Praxis von besonderer Bedeutung sind.

Demnach ist die Einschaltung des Integrationsamtes nach § 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX nicht notwendig, wenn das Arbeitsverhältnis des schwerbehinderten Menschen zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung ohne Unterbrechung noch nicht länger als 6 Monate besteht.

Die Zustimmung ist ferner z.B. dann entbehrlich, wenn das Arbeitsverhältnis eines schwerbehinderten Menschen durch Kündigung beendet wird und dieser  entweder das 58. Lebensjahr vollendet  oder Anspruch auf eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung aufgrund eines Sozialplans hat. Hinzukommen muss aber, dass der Arbeitgeber ihm die Kündigungsabsicht rechtzeitig mitgeteilt hat und er der beabsichtigten Kündigung bis zu deren Ausspruch nicht widerspricht.

Diese Unterrichtung des schwerbehinderten Menschen ist an keine Form gebunden. Sie  sollte aus Beweisgründen allerdings schriftlich erfolgen. Enthalten muss sie mindestens  Angaben zur Art der Kündigung, zur Kündigungsfrist und zum Kündigungstermin. Rechtzeitig ist die Mitteilung nur dann, wenn der Arbeitnehmer noch genügend Zeit hat, um zu überlegen, ob er der Kündigung widersprechen will oder nicht. Nicht geklärt ist bisher, wie viel  Bedenkzeit der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mindestens einräumen muss. Teilweise wird eine Mindestfrist von 2 Wochen für angemessen angesehen; teilweise wird auch eine Drei-Wochen-Frist gefordert.  Es empfiehlt sich, von der Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG als Mindestfrist auszugehen und diese Frist dem Mitarbeiter im Unterrichtungsschreiben auch ausdrücklich zu nennen. Der Arbeitnehmer kann der Kündigungsabsicht formlos wiedersprechen; eine Begründung ist nicht erforderlich. Der Widerspruch kann bis zum Zugang der Kündigung erklärt werden.

Tipp Nr.25: Vermeidung von Formulierungen zugunsten Dritter bei Verlängerung des Zeitraums der Entgeltfortzahlung

Insbesondere aufgrund des drohenden Fachkräftemangels infolge der demografischen Entwicklung suchen Unternehmen verstärkt nach qualifiziertem Personal. Neben einem attraktiven Arbeitsentgelt werden Vertragsbedingungen angeboten, die über das gesetzlich Geschuldete hinausgehen. Ein Mittel ist, Bewerbern für einen längeren Zeitraum Entgeltfortzahlung anzubieten als dies das Gesetz in § 3 Abs. 1 EFG mit seinen sechs Wochen verlangt.

Die falsche Strategie

Taktisch nicht klug wäre es in einem solchen Fall, in den Arbeitsvertrag lediglich aufzunehmen, dass der Arbeitnehmer für einen bestimmten Zeitraum Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall erhält. Hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Krankengeld gegen die gesetzliche Krankenversicherung, ist eine Regelung mit diesem Inhalt nicht empfehlenswert. Sie begünstigt in erster Linie die Krankenkasse, die während des verlängerten Zeitraums der Entgeltfortzahlung nach § 49 Abs. 1 Satz 1 EFZG kein Krankengeld zahlen muss. Entsprechendes gilt, wenn ein in der privaten Krankenversicherung versicherter Arbeitnehmer eine Krankentagegeldversicherung abgeschlossen hat und der Anspruch auf diese Leistung insoweit entfällt, als das Krankengeld zusammen mit dem vom Arbeitgeber gezahlten Arbeitsentgelt das volle Arbeitseinkommen überschreitet.

Die richtige Strategie

Es ist deshalb zwar empfehlen, den Zeitraum der Zahlung einer Entgeltfortzahlung im Arbeitsvertrag gegenüber dem Gesetz zu verlängern; gleichzeitig sollte aber geregelt werden, dass der Arbeitnehmer während dieses Zeitraums nur insoweit Entgeltfortzahlung vom Arbeitgeber erhält als er nicht von einer gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung finanzielle Leistungen beanspruchen kann.

Musterformulierung:

Bei einer Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit wird das Gehalt für die Dauer von ……(Anzahl) Tagen/Wochen/Monaten fortgezahlt. Dies gilt allerdings nur insoweit, als der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Krankengeld gegen einen Sozialversicherungsträger oder auf Krankentagegeld gegen den Träger einer privaten Krankenversicherung hat.

Zur Vertiefung:

 

Kleinebrink, Vertragliche Regelungen im Zusammenhang mit der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, ArbRB 2007, 186-189