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Tipp Nr. 27: Verhinderung und Bestellung eines Vertrauenskapitals

Zugunsten von Arbeitnehmern berücksichtigt das BAG neuerdings in Verfahren, die Kündigungen aufgrund schwerer Pflichtverletzungen, insbesondere Diebstähle und Unterschlagungen mit keinen oder geringen finanziellen Auswirkungen, zum Streitgegenstand haben wie z.B. im Fall „Emmely“, im Rahmen der Interessenabwägung ein „Vertrauenskapital“, das Arbeitnehmer durch eine lange beanstandungsfreie Betriebszugehörigkeit erworben haben (BAG v. 10.6.2010 – 2 AZR 549/09). Für Arbeitgeber stellt sich auf diesem Hintergrund im Vorfeld einer eventuellen Kündigung die Frage, welche Möglichkeiten es gibt zu verhindern, dass es zur Bildung eines solchen Vertrauenskapitals kommt oder wie ein eventuell bereits erworbenes Vertrauenskapital im Vorfeld einer Kündigung wieder abgebaut werden kann, damit ein Gericht ihnen im Fall einer Kündigung ein solches Vertrauenskapital nicht mehr entgegenhalten kann.

Die falsche Strategie:

Taktisch nicht klug wäre es vom Arbeitgeber bei einer derartigen schweren Pflichtverletzung immer zunächst eine Abmahnung zu erklären und erst bei einer weiteren zumindest gleichartigen Pflichtverletzung eine fristlose – oder fristgerechte – Kündigung zu erklären. Er schränkt seine rechtlichen Möglichkeiten dadurch erheblich.

Die richtige Strategie

Ein Arbeitgeber kann bereits vor entsprechenden Pflichtverletzungen das Entstehen eines Vertrauenskapitals beim Arbeitnehmer insbesondere durch folgende Maßnahmen vermeiden:

– Vorweggenommene Abmahnung

– Vereinbarung von Kündigungsgründen im Arbeitsvertrag

– Hinweis auf Folgen in Ethik-Richtlinien

 

Ein bereits erworbenes Vertrauenskapital kann abgebaut oder zumindest verringert werden durch

– Ermahnungen

-Nicht rechtmäßige Abmahnungen, bei denen die Pflichtverletzung gegeben ist

– Nicht rechtmäßige Kündigungen, bei denen die Pflichtverletzung feststeht

– Erfolglose Zustimmungsersetzungsverfahren bei Organen der Betriebsverfassung, wenn die Pflichtverletzung feststeht

 

Außerdem sind alle Unterlagen, aus denen sich Hinweise auf eine nicht beanstandungsfreie Zusammenarbeit ergeben, ohne zeitliche Begrenzung in der Personalakte zu belassen. Für eine rechtmäßige Abmahnung, die allein aufgrund des Zeitablaufs nicht mehr geeignet ist, für einen evtl. späteren Kündigungsgrund  von Bedeutung zu sein, hat das BAG schon bisher die Möglichkeit eröffnet, derartige Abmahnungen solange in der Personalakte zu belassen, wie sie für die weitere berufliche Entwicklung des Arbeitnehmers noch eine Rolle spielen kann.  Im Hinblick auf die neue Bedeutung der Abmahnung im Rahmen einer Interessenabwägung ist dies ohne zeitliche Grenzen der Fall.  Nach der Aufwertung der Interessenabwägung durch das Vertrauenskapital muss dies auch für nicht rechtmäßige Abmahnungen und sonstige Erklärungen, die Pflichtverletzungen dokumentieren, gelten. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob der Arbeitnehmer die in der Erklärung dokumentierte Pflichtverletzung tatsächlich begangen hat. Hat er sie begangen, beseitigt die Erklärung ein aufgebautes Vertrauenskapital; hat er sie nicht begangen, besitzt die Erklärung zumindest eine Warnfunktion hinsichtlich der beanstandeten Pflichtverletzung und verhindert den Aufbau eines Vertrauenskapitals hinsichtlich des entsprechenden Pflichtenkreises

 

Ausführlich Kleinebrink, Arbeitgeberseitige Strategien zur Verhinderung eines Aufbaus und zum Abbau eines Vertrauenskapitals, BetriebsBerater 2011, 2617-2622