Tipp Nr. 63: Strategien beim Konflikt zwischen Änderungs- und Beendigungskündigung

Entfallen mehrere Arbeitsplätze im Unternehmen, stehen Arbeitgeber häufig vor dem Problem, dass zwar an anderer Stelle im Unternehmen auf einer niedrigeren Hierarchieebene freie Arbeitsplätze vorhanden sind, diese zahlenmäßig aber nicht ausreichen, um alle Arbeitnehmer, deren Arbeitsplatz entfällt, weiter zu beschäftigen. Arbeitgeber stehen dann vor der Frage, welchen Arbeitnehmern sie die freien Arbeitsplätze mithilfe einer Änderungskündigung anbieten müssen und welche Arbeitnehmer eine Beendigungskündigung erhalten.

Die falsche Strategie:

Strategisch falsch wäre es, schrittweise vorzugehen und zunächst den Arbeitnehmern, die im Rahmen der getroffenen Sozialauswahl am stärksten sozial schutzwürdig sind, die freien Arbeitsplätze mithilfe einer Änderungskündigung anzubieten und dann, wenn sich diese Änderungskündigungen nicht durchsetzen lassen, den bisher nicht berücksichtigten Arbeitnehmern die jetzt wieder vorhandenen freien Arbeitsplätze im Wege von erneuten Änderungskündigungen aufgrund einer erneuten Sozialauswahl anzubieten. Dies würde nicht zu nur zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führen, sondern auch zu einer erheblichen zeitlichen Verzögerung der personellen Maßnahme, die mit hohen zusätzlichen Personalkosten verbunden wäre.

Die richtige Strategie:

Strategisch richtig ist vielmehr, unter allen Mitarbeitern, die vom Wegfall des Arbeitsplatzes betroffen sind, die nach § 1 Abs. 3 KSchG erforderliche Sozialauswahl durchzuführen und dann gleichzeitig den am sozial schutzwürdigsten Arbeitnehmern die freie Arbeitsplätze im Wege der Änderungskündigung anzubieten und gegenüber den sozial weniger schutzwürdigen Arbeitnehmern Beendigungskündigungen zu erklären.

Arbeitnehmer, die eine Beendigungskündigung erhalten haben, können sich dann nicht erfolgreich darauf berufen, es stehe bei einer derartigen Vorgehensweise nicht fest, ob alle Arbeitnehmer, die eine derartige Änderungskündigung bekommen haben, tatsächlich rechtlich gezwungen sind, auf den freien Arbeitsplatz zu wechseln; möglicherweise könnten solche Arbeitnehmer sich erfolgreich gegen die Änderungskündigungen wehren, so dass dann diese Arbeitsplätze wieder für sie frei wären. Ein Arbeitsplatz ist nach einer Entscheidung des BAG vom 22.9.2005 (2 AZR 208/05) bereits dann nicht mehr frei, wenn er zum Zeitpunkt des Zugangs der Beendigungskündigung einem anderen Arbeitnehmer gegenüber, insbesondere durch Ausspruch einer Änderungskündigung, bereits angeboten wurde.

Tipp Nr. 62: Flexibilität und Verringerung der Arbeitszeit während der Elternzeit

Der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin kann während einer Elternzeit eine Verkürzung der Arbeitszeit und ihre Ausgestaltung beim Arbeitgeber beantragen. Das Gesetz unterscheidet in § 15 BEEG insoweit zwei verschiedene Verfahren. Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerin sollen sich zunächst nach § 15 Abs. 5 Satz 2 BBEG über den Antrag innerhalb von vier Wochen einigen. Dieses so genannte Konsensverfahren setzt keinen Antrag des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin voraus, der ein annahmefähiges Angebot beinhaltet. Zum Beispiel reicht auch die Bitte des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin um eine Verhandlung über die Verringerung aus.

Scheitert dieses Konsensverfahren, muss der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin das in § 15 Abs. 6 in Verbindung mit Abs. 7 BEEG geregelte Anspruchsverfahren einleiten, indem er oder sie dem Arbeitgeber ein annahmefähiges Angebot auf Verringerung – und gegebenenfalls auf Verteilung der verringerten Arbeitszeit-  unterbreitet und deutlich macht, hierdurch die Verringerung der Arbeitszeit beanspruchen zu wollen.

Während der gesamten Dauer der Elternzeit kann der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin zweimal nach § 15 Abs. 6 BEEG eine Verringerung seiner oder ihrer Arbeitszeit beanspruchen.

Die falsche Strategie:

Strategisch falsch wäre es aus Sicht des Arbeitgebers, sich bereits im Konsensverfahren mit dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin auf eine Verringerung der Arbeitszeit zu verständigen. Nach einer neuen Entscheidung des BAG vom 19. Februar 2013 – 9 AZR 461/11 – wird eine solche Verständigung im Konsensverfahren nicht auf den Anspruch des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin auf zweimalige Verringerung der Arbeitszeit während der  Elternzeit angerechnet. Der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin haben damit trotz der bereits einmal erfolgten Verringerung der Arbeitszeit weiter Anspruch auf zwei weitere Verringerungen während der Elternzeit.

Die richtige Strategie:

Ein Arbeitgeber, der nicht zu sehr mit entsprechenden Verringerungswünschen von Arbeitnehmern oder Arbeitnehmerinnen belastet werden möchte, wird sich stattdessen im Konsensverfahren mit dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin nicht einigen. Er wird dies erst im Anspruchsverfahren machen, damit diese Einigung über die Verringerung auf den Anspruch des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin auf zweimalige Verringerung der Arbeitszeit während der Elternzeit angerechnet wird. Dies ist zwar im Grunde ein widersinniges Ergebnis; es ist aber der Rechtsprechung des BAG geschuldet, um nicht dem Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerin die Möglichkeit einzuräumen, mindestens dreimal – einmal im Konsensverfahren und zweimal im Anspruchsverfahren – eine Verringerung der Arbeitszeit während der Elternzeit durchsetzen zu können.

Tipp Nr. 61: Anrechnung von Urlaub und Zwischenverdienst während einer Freistellung

Möchte ein Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitnehmer fristgerecht beenden, ist es regelmäßig insbesondere bei Arbeitnehmern einer höheren hierarchischen Ebene sein Ziel, dass der Arbeitnehmer nach Erhalt der Kündigung nicht wieder an seinen Arbeitsplatz zurückkehrt. Gleichzeitig möchte er aber oftmals, dass während dieser Zeit der Freistellung noch bestehender Urlaub ebenso wie ein eventuell vom Arbeitnehmer während dieser Zeit erzielter Zwischenverdienst angerechnet wird, um Personalkosten zu sparen.

Die falsche Strategie.

Die falsche Strategie wäre es, den Arbeitnehmer lediglich unwiderruflich von der Arbeit freizustellen und zu erklären, dass eventuell noch bestehender Resturlaub auf die Freistellung angerechnet wird und dass sich der Arbeitnehmer einen während der Freistellung anderweitig erzielten Verdienst auf die Ansprüche auf Arbeitsentgelt gegenüber seinem Arbeitgeber ebenfalls anrechnen lassen muss. Nach einer Entscheidung des BAG (BAG v. 16.07.2013 – 9 AZR 50/12) besteht der Urlaubsanspruch dann dennoch weiter und muss vom Arbeitgeber abgegolten werden. Ihm entstehen dadurch erhebliche unnötige zusätzliche Personalkosten.

Die richtige Strategie:

Soll ein anderweitiger Verdienst, den der Arbeitnehmer während der Zeit der Freistellung erzielt, auf die Vergütung, die der Arbeitgeber zu zahlen hat, ebenso angerechnet werden wie ein Resturlaub, muss er nach diesem Urteil (BAG v. 16.07.2013 – 9 AZR 50/12) den Urlaubszeitpunkt festlegen. Es obliegt dem Arbeitgeber, entweder den anrechnungsfreien Urlaubszeitraum konkret zu benennen, die Reihenfolge der Zeiträume im Zweifelsfall festzulegen oder dem Arbeitnehmer auf andere Weise mitzuteilen, ob und innerhalb welcher Zeiträume die Anrechnung des von ihm erzielten Zwischenverdienstes im Sinne des § 615 Satz 2 BGB nicht anwendbar sein soll.

Bedenken muss der Arbeitgeber bei einer solchen von ihm gewünschten Anrechnung eines Zwischenverdienstes auf die von ihm zu zahlende Vergütung außerdem, dass er durch eine solche Anrechnung das vertragliche Wettbewerbsverbot, dem der Arbeitnehmer ansonsten während der Vertragslaufzeit unterliegt, aufhebt. Zu Erzielung eines entsprechenden Zwischenverdienstes kann der Arbeitnehmer deshalb auch bei einem Konkurrenzunternehmen tätig werden, sofern der Arbeitgeber dies nicht ausdrücklich ausschließt.

 

Ausf. hinsichtlich der Auswirkungen auf ein Wettbewerbsverbot Strategietipp Nr. 46.

Tipp Nr. 60: Strategische Überlegungen zur Darlegung des Wegfalls eines Arbeitsplatzes vor einer betriebsbedingten Kündigung

Während in der Vergangenheit die ordnungsgemäße Sozialauswahl bei der gerichtlichen Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung im Vordergrund stand, ist dies neuerdings vermehrt bereits der Wegfall des Arbeitsplatzes. Die Anforderungen an einem derartigen Tatsachenvortrag des Arbeitgebers hat die Rechtsprechung jüngst bei einigen Fallgestaltungen mit prozessualen Mitteln erheblich verschärft.

Die falsche Strategie:

Strategisch falsch wäre es, wenn sich der Arbeitgeber zur Rechtfertigung eines Wegfalls eines Arbeitsplatzes auf außerbetriebliche Gründe berufen würde. In der Praxis gelingt es dem Arbeitgeber nur selten darzulegen, dass der Auftragsrückgang oder der Umsatzrückgang proportional zu einem Wegfall des Beschäftigungsbedarfs führen.

Ebenso risikobehaftet ist es neuerdings, wenn der Arbeitgeber sich zwar zur Darlegung des Wegfalls des Arbeitsplatzes auf innerbetriebliche Gründe beruft und damit seine Entscheidung auf eine freie Unternehmerentscheidung stützt, sich hinsichtlich der organisatorischen Änderung aber auf eine nicht unmittelbar zur Verringerung der Arbeitsmenge führende Maßnahme beruft. Dies ist insbesondere bei der Umverteilung der bisher dem betroffenen Arbeitnehmer zugewiesenen Aufgaben und bei der Streichung eine Hierarchieebene der Fall.

Das BAG verlangt dann vom Arbeitgeber u.a. darzulegen, dass die noch verbliebenen Aufgaben von den verbleibenden Arbeitnehmern ohne Überstunden verrichtet werden können. Der Arbeitgeber muss hierzu nach Ansicht des BAG die Arbeitszeiten der Mitarbeiter, die zusätzliche Tätigkeiten übernehmen sollen, ebenso darstellen wie deren Möglichkeit, vorhandene freie Kapazitäten für die Übertragung weiterer Arbeiten zu nutzen (BAG v. 24.5.2012 – 2 AZR 124/11).

Handelt es sich nicht um taktgebundene Arbeiten, muss vom Arbeitgeber zwar nicht minutiös dargelegt werden, welche einzelnen Tätigkeiten die anderen Mitarbeiter mit welchem Zeitanteil zukünftig zu verrichten haben. Es kann zwar ausreichend sein, wenn der Arbeitgeber die getroffenen Vereinbarungen zur Umverteilung der Arbeitszeit darstellt und Anhaltspunkte dafür darlegt, dass Freiräume für die Übernahme zusätzlicher Aufgaben vorhanden sind (BAG v. 24.5.2012 – 2 AZR 124/11). In der Praxis wird aber ein Arbeitgeber dieser Substantiierungslast zumindest bei nicht taktgebundenen Arbeiten zuverlässig nur genügen können, wenn er im Vorfeld gleichsam Zeitaufnahmen hinsichtlich der bisher auf dem wegfallenden  Arbeitsplatz verrichteten Tätigkeiten machen lässt und außerdem bei Arbeitnehmern, die zukünftig diese Tätigkeiten übernehmen sollen, durch eben solche Zeitaufnahmen festhält, dass diese in dem  Umfang, in dem  sie Aufgaben übernehmen sollen, nicht ausgelastet sind. Eine derartige Vorbereitung ist praxisfern.

Die richtige Strategie

Auf dem Hintergrund der neuen Rechtsprechung des BAG ist es zumindest bei nicht taktgebundene Arbeiten stattdessen empfehlenswert, die Umstrukturierung auf eine innerbetriebliche Organisationsentscheidung zu stützen, die unmittelbar zu Verringerung der Arbeitsmenge führt. Derartige Entscheidungen sind insbesondere die Vergabe von bisher auf eigenen Arbeitsplätzen von eigenen Arbeitnehmern verrichteten Tätigkeiten an Dritte oder die Stilllegung von Betriebsabteilungen oder die Stilllegung von Maschinen oder Maschinengruppen.

Bei einer solchen vom Arbeitgeber getroffenen gestaltenden Unternehmerentscheidung wird vermutet, dass sie aus sachlichen Gründen erfolgt ist und zu dem vom Arbeitgeber dargelegten Wegfall des Arbeitsplatzes geführt hat. In diesem Fall ist es Sache des Arbeitnehmers im Rechtsstreit darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass ein solcher sachlicher Grund tatsächlich nicht vorlag (BAG v. BAG v. 24.5.2012 – 2 AZR 124/11; BAG v. 23.2.2012 – 2 AZR 548/10). Diese Vorgehensweise führt damit zu einer wesentlichen Erleichterung des Arbeitgebers hinsichtlich der Darlegungslast bei Wegfall eines Arbeitsplatzes.

Ausführlich zu strategische Überlegungen zur Darlegung des Wegfalls eines Arbeitsplatzes Kleinebrink, Der Betrieb 2013

Tipp Nr. 59: Technik der Eingruppierung

Die Hauptpflicht eines Arbeitgebers aus einem Arbeitsvertrag besteht nach § 611 Abs. 1 BGB darin, dem Arbeitnehmer das vereinbarte Arbeitsentgelt zu zahlen. Die Höhe dieses Arbeitsentgelts kann sich aus einer Vergütungsordnung eines Tarifvertrags ergeben. Die zutreffende Höhe des vereinbarten Arbeitsentgelts bestimmt der Arbeitgeber in diesem Fall durch eine Eingruppierung des Arbeitgebers in eine der Entgeltgruppen einer solchen Tarifvertrags. Eine fehlerhafte, insbesondere zu hohe  Eingruppierung kann damit zu erheblichen finanziellen Nachteilen zu Lasten des Arbeitgebers führen.

Die falsche Strategie:

Die falsche Strategie wäre, die Eingruppierung nicht nach den Vorgaben der Vergütungsordnung des Tarifvertrags, sondern nach eigener freier Einschätzung vorzunehmen. Der Arbeitgeber hat nicht einmal ein Ermessen.

Ist die Eingruppierung fehlerhaft vorgenommen, können sich hiergegen sowohl der betroffene Arbeitnehmer als auch ein eventuell vorhandener Betriebsrat wenden, wodurch dem Arbeitgeber unnötige Kosten entstehen können.

Die richtige Strategie

Die richtige Vorgehensweise ist vielmehr im Regelfall (Tarifverträge sehen teilweise kompliziertere Systeme vor):

– Ermittlung der richtigen Vergütungsordnung

– Bestimmung des persönlichen Geltungsbereichs

– Bestimmung der vom Arbeitnehmer geschuldeten Tätigkeit

– Ermittlung von Tätigkeits- und Anforderungsmerkmalen

– Berücksichtigung eventueller Tätigkeitsbeispiele

– Ermittlung der zutreffenden Stufe in einer Vergütungsgruppe

– Ablesen der sich aus der Vergütungsgruppe ergebenden Entlohnung

Ausführlich zu der Bedeutung und der Technik der Eingruppierung Kleinebrink, Betriebs-Berater  2013 Heft 39