Während in der Vergangenheit die ordnungsgemäße Sozialauswahl bei der gerichtlichen Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung im Vordergrund stand, ist dies neuerdings vermehrt bereits der Wegfall des Arbeitsplatzes. Die Anforderungen an einem derartigen Tatsachenvortrag des Arbeitgebers hat die Rechtsprechung jüngst bei einigen Fallgestaltungen mit prozessualen Mitteln erheblich verschärft.
Die falsche Strategie:
Strategisch falsch wäre es, wenn sich der Arbeitgeber zur Rechtfertigung eines Wegfalls eines Arbeitsplatzes auf außerbetriebliche Gründe berufen würde. In der Praxis gelingt es dem Arbeitgeber nur selten darzulegen, dass der Auftragsrückgang oder der Umsatzrückgang proportional zu einem Wegfall des Beschäftigungsbedarfs führen.
Ebenso risikobehaftet ist es neuerdings, wenn der Arbeitgeber sich zwar zur Darlegung des Wegfalls des Arbeitsplatzes auf innerbetriebliche Gründe beruft und damit seine Entscheidung auf eine freie Unternehmerentscheidung stützt, sich hinsichtlich der organisatorischen Änderung aber auf eine nicht unmittelbar zur Verringerung der Arbeitsmenge führende Maßnahme beruft. Dies ist insbesondere bei der Umverteilung der bisher dem betroffenen Arbeitnehmer zugewiesenen Aufgaben und bei der Streichung eine Hierarchieebene der Fall.
Das BAG verlangt dann vom Arbeitgeber u.a. darzulegen, dass die noch verbliebenen Aufgaben von den verbleibenden Arbeitnehmern ohne Überstunden verrichtet werden können. Der Arbeitgeber muss hierzu nach Ansicht des BAG die Arbeitszeiten der Mitarbeiter, die zusätzliche Tätigkeiten übernehmen sollen, ebenso darstellen wie deren Möglichkeit, vorhandene freie Kapazitäten für die Übertragung weiterer Arbeiten zu nutzen (BAG v. 24.5.2012 – 2 AZR 124/11).
Handelt es sich nicht um taktgebundene Arbeiten, muss vom Arbeitgeber zwar nicht minutiös dargelegt werden, welche einzelnen Tätigkeiten die anderen Mitarbeiter mit welchem Zeitanteil zukünftig zu verrichten haben. Es kann zwar ausreichend sein, wenn der Arbeitgeber die getroffenen Vereinbarungen zur Umverteilung der Arbeitszeit darstellt und Anhaltspunkte dafür darlegt, dass Freiräume für die Übernahme zusätzlicher Aufgaben vorhanden sind (BAG v. 24.5.2012 – 2 AZR 124/11). In der Praxis wird aber ein Arbeitgeber dieser Substantiierungslast zumindest bei nicht taktgebundenen Arbeiten zuverlässig nur genügen können, wenn er im Vorfeld gleichsam Zeitaufnahmen hinsichtlich der bisher auf dem wegfallenden Arbeitsplatz verrichteten Tätigkeiten machen lässt und außerdem bei Arbeitnehmern, die zukünftig diese Tätigkeiten übernehmen sollen, durch eben solche Zeitaufnahmen festhält, dass diese in dem Umfang, in dem sie Aufgaben übernehmen sollen, nicht ausgelastet sind. Eine derartige Vorbereitung ist praxisfern.
Die richtige Strategie
Auf dem Hintergrund der neuen Rechtsprechung des BAG ist es zumindest bei nicht taktgebundene Arbeiten stattdessen empfehlenswert, die Umstrukturierung auf eine innerbetriebliche Organisationsentscheidung zu stützen, die unmittelbar zu Verringerung der Arbeitsmenge führt. Derartige Entscheidungen sind insbesondere die Vergabe von bisher auf eigenen Arbeitsplätzen von eigenen Arbeitnehmern verrichteten Tätigkeiten an Dritte oder die Stilllegung von Betriebsabteilungen oder die Stilllegung von Maschinen oder Maschinengruppen.
Bei einer solchen vom Arbeitgeber getroffenen gestaltenden Unternehmerentscheidung wird vermutet, dass sie aus sachlichen Gründen erfolgt ist und zu dem vom Arbeitgeber dargelegten Wegfall des Arbeitsplatzes geführt hat. In diesem Fall ist es Sache des Arbeitnehmers im Rechtsstreit darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass ein solcher sachlicher Grund tatsächlich nicht vorlag (BAG v. BAG v. 24.5.2012 – 2 AZR 124/11; BAG v. 23.2.2012 – 2 AZR 548/10). Diese Vorgehensweise führt damit zu einer wesentlichen Erleichterung des Arbeitgebers hinsichtlich der Darlegungslast bei Wegfall eines Arbeitsplatzes.
Ausführlich zu strategische Überlegungen zur Darlegung des Wegfalls eines Arbeitsplatzes Kleinebrink, Der Betrieb 2013