Tipp Nr. 151: Die Prüfung der ordnungsgemäßen Organisation der Betriebsversammlung

Tipp Nr. 151 Die Prüfung der ordnungsgemäßen Organisation der Betriebsversammlung
Betriebsversammlungen sind sowohl für den Betriebsrat als auch für den Arbeitgeber von Interesse. Sie dienen einerseits der Aussprache zwischen dem Betriebsrat und der Belegschaft und andererseits der Information der Belegschaft durch den Arbeitgeber. Bei deren Organisation sind in der Praxis viele Einzelheiten zu beachten, um Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zu vermeiden, die zu materiellen und immateriellen Belastungen führen können.
Die falsche Strategie:
Strategisch falsch wäre es, Betriebsversammlungen ohne nähere Prüfung stattfinden zu lassen. Bedenkt man die finanziellen Folgen, die derartige Versammlungen schon allein aufgrund der bezahlten Freistellung der an ihr teilnehmenden Arbeitnehmer haben, sollte der Arbeitgeber die vom Betriebsrat vorgenommene Organisation kritisch prüfen und ggf. Meinungsverschiedenheiten mit dem Betriebsrat frühzeitig besprechen und im Ausnahmefall gerichtlich vorgehen.
Die richtige Strategie:
Folgende Punkte sollte der Arbeitgeber in jedem Fall überprüfen, obwohl der Betriebsrat die Versammlung organisiert:
– Die Wahl der richtigen Art der Versammlung
– Ordnungsgemäße Einberufung
– Frist
– Tagesordnung
– Mögliche Zahl der Versammlungen
– Regelmäßige Betriebs- oder Abteilungsversammlungen
– Zusätzliche („weitere“) Betriebs- oder Abteilungsversammlungen
– Außerordentliche Betriebsversammlung bzw. Abteilungsversammlungen
– Zeitpunkt der Betriebsversammlung
– Regelmäßige und zusätzliche Betriebs- und Abteilungsversammlungen
– Außerordentliche Betriebsversammlung
– Einzuladende Personen
– Auswahl des Orts der Versammlung
– Dauer der Versammlung
Ausführlich zu „Die Organisation der Betriebsversammlung – – Ein Ablaufplan für die Praxis – Kleinebrink, ArbRB 2019, 349

Tipp Nr.150: Die richtige Einordnung vertraglicher Bezugnahmeklauseln bei Planungen eines Verbandsaustritts

Tipp Nr. 150 Die richtige Einordnung vertraglicher Bezugnahmeklauseln bei Planungen eines Verbandsaustritts
Gelten Tarifverträge nach § 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1 TVG nicht zwingend und unmittelbar, weil zumindest eine Vertragspartei nicht tarifgebunden ist, hat eine Bezugnahmeklausel eine konstitutive Wirkung. Die Tarifverträge gelten schuldrechtlich in dem Arbeitsverhältnis. Diese konstitutive Wirkung der Bezugnahme besteht aber auch dann, wenn die Tarifverträge nach § 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1 TVG normativ gelten, weil eine beiderseitige Tarifbindung besteht. Eine vertragliche Inbezugnahme des Tarifvertrags führt dann gleichsam zu einem „doppelten Rechtsgrund der Tarifbindung“. Dies ist insbesondere bei einem späteren Verbandsaustritt des Arbeitgebers oder einem Wechsel in die Mitgliedschaft ohne Tarifbindung („OT-Mitgliedschaft“) für organisierte Arbeitnehmer von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Der Arbeitgeber hat auch insoweit betriebswirtschaftlich die Folgen eines solchen Verbandsaustritts vorab zuverlässig zu bestimmen, um dessen Chancen und Risiken vollständig abwägen zu können.
Ist die Kündigungsfrist abgelaufen und der Austritt aus dem Arbeitgeberverband damit vollzogen, ändert dies entgegen einer in der Praxis weit verbreiteten Auffassung an der Tarifbindung zunächst nichts. Der Arbeitgeber muss insbesondere die finanziellen Verpflichtungen, die sich aus den Tarifverträgen ergeben, gegenüber den originär tarifgebundenen Arbeitnehmern weiter erfüllen. Nach § 3 Abs. 3 TVG bleibt die Bindung des Arbeitgebers an die Tarifverträge – und damit auch an die darin niedergelegten finanziellen Verpflichtungen – gegenüber den organisierten Arbeitnehmern weiter bestehen, bis der Tarifvertrag sein Ende findet. Allerdings tritt zugunsten des Arbeitgebers dadurch eine finanzielle Entlastung ein, dass mit dem Zeitpunkt der Beendigung der Mitgliedschaft im Verband die tariflichen Arbeitsbedingungen gegenüber den organisierten Arbeitnehmern nur noch statisch gelten. Nach Beendigung der Mitglied¬schaft abgeschlossene Tarifverträge binden einen ausgetretenen Arbeitgeber deshalb nicht mehr originär.
Die falsche Strategie:
Eine fehlerhafte Überlegung wäre, davon auszugehen, dass aufgrund der Beendigung der originären Tarifbindung in jedem Fall die finanziellen Entwicklungen in künftigen Tarifverträgen nicht mehr zu berücksichtigen sind. Dieser von einem Arbeitgeber regelmäßig mit einem Verbandsaustritt angestrebte Vorteil wird aufgrund des doppelten Rechtsgrunds der Tarifbindung dann zunichte gemacht, wenn aufgrund der vertraglichen dynamischen Bezugnahme die Tarifverträge schuldrechtlich weiter dynamisch gelten. Aufgrund dieser vertraglichen Bezugnahmeklauseln muss er dann u.U. sogar gegenüber Gewerkschaftsmitgliedern die Entwicklungen in späteren Tarifverträgen berücksichtigen.
Die richtige Strategie:
Beabsichtigt ein tarifgebundener Arbeitgeber, die Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband zu kündigen oder aber von der Vollmitgliedschaft in eine OT-Mitgliedschaft zu wechseln, sollte er vorab prüfen, ob der Austritt die von ihm gewünschten Folgen hat. Er muss feststellen, welche Verträge in ihren Bezugnahmeklauseln ausdrücklich die Dynamik bei Beendigung der Vollmitgliedschaft beenden lassen, welche sonstigen Verträge eine dynamische Bezugnahme auf die einschlägigen Tarifverträge enthalten, welche dieser Verträge zum Zeitpunkt seiner Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband vor dem 1.1.2002 geschlossen wurden und nach diesem Zeitpunkt nicht – auch nicht durch Änderungskündigungen – geändert wurden. Es verbleiben dann die Verträge derjenigen Arbeitnehmer, bei denen die Gefahr besteht, dass sie weiter die bisherigen Tarifverträge dynamisch in Bezug nehmen, sodass insoweit insbesondere gewünschte finanzielle Einsparungen, die durch den Verbandsaustritt erreicht werden sollten, nicht eintreten.

Ausführlich zu „Vertragliche Bezugnahmeklauseln und Verbandsmitgliedschaft- Der doppelte Rechtsgrund der Tarifbindung und dessen Folgen“ Kleinebrink, FA 2019, 230ff

Tipp Nr.149: Der richtige Umgang mit Urlaubsansprüchen bei Altersteilzeit

Tipp Nr. 149 Der richtige Umgang mit Urlaubsansprüchen bei Altersteilzeit
Arbeitgeber sind betriebswirtschaftlich daran interessiert, Vergütung an einen Arbeitnehmer möglichst nur dann zu zahlen, wenn sie dafür auch eine Gegenleistung in Form der Arbeitsleistung erhalten. Dieses betriebswirtschaftliche Interesse wird kraft Gesetzes in einer Vielzahl von Fällen beeinträchtigt. Eine wichtige Fallgruppe sind Urlaubsansprüche von Arbeitnehmern, wenn der Arbeitgeber während der Zeit des Urlaubs verpflichtet ist, dass Arbeitsentgelt in Form eines Urlaubsentgelts weiter zu zahlen. Jedem Arbeitnehmer stehen kraft Gesetzes nach § 3 Abs. 1 iVm § 3 Abs. 2 BUrlG bei einer 6-Tage-Woche 24 Werktage an Urlaub zu. Bei einer 5-Tage-Woche sind dies dementsprechend 20 Tage. Tarifverträge sehen regelmäßig einen zusätzlichen Urlaubsanspruch in Form eines „übergesetzlichen“ Urlaubs vor. Vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Altersteilzeit im Blockmodell, arbeitet der Arbeitnehmer während der ersten Hälfte der Altersteilzeit weiterhin voll; im Gegenzug muss er in der zweiten Hälfte der Altersteilzeit, der sogenannten Freistellungsphase, keine Arbeitsleistung erbringen.
Die falsche Strategie:
Strategisch falsch wäre es, dem Arbeitnehmer auch für den Zeitraum der Freistellungsphase einen Urlaubsanspruch zuzusprechen und nach § 7 Abs. 4 BUrlG nach Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses abzugelten, da der Arbeitnehmer diesen während der Freistellungsphase nicht in Natur nehmen kann. Entsprechendes gilt für einen etwaigen übergesetzlichen Urlaubsanspruch.
Die richtige Strategie:
Nach einem Urteil des BAG vom am 24.9.2019 9 AZR 481/18 besteht kein Anspruch auf Abgeltung von Urlaub für die Freistellungsphase. Folglich sind in der Praxis zwei Fallgestaltungen zu unterscheiden:
Befand sich der Arbeitnehmer während des gesamten Kalenderjahres in der Freistellungsphase und war er deshalb im gesamten Kalenderjahr nicht verpflichtet, eine Arbeitsleistung zu erbringen, steht ihm mangels Arbeitspflicht kein gesetzlicher Anspruch auf Erholungsurlaub zu. Gleiches gilt für einen übergesetzlichen Mehrurlaub, wenn die Vertragsparteien insoweit keine Sonderregelung getroffen haben.
Vollzieht sich der Wechsel von der Arbeit- in die Freistellungsphase im Verlauf des Kalenderjahres, muss der Urlaubsanspruch nach Zeitabschnitten entsprechend der Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht errechnet werden; gleiches gilt wiederum für einen vertraglichen übergesetzlichen Mehrurlaub, sofern die Vertragsparteien keine Sonderregelung getroffen haben.

Tipp Nr. 148: Die richtige Strategie zur Kürzung des Urlaubsanspruchs in der Elternzeit

Tipp Nr. 148 Die richtige Strategie zur Kürzung des Urlaubsanspruchs in der Elternzeit
Arbeitgeber sind betriebswirtschaftlich daran interessiert, nicht eingeplante Personalkosten möglichst zu vermeiden. Zu einer derartigen unerwarteten Erhöhung kann es kommen, wenn der Arbeitgeber von seinem Recht, den Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers, der sich in Elternzeit befindet, zu kürzen, nicht richtig Gebrauch macht.
Die falsche Strategie:
Ein Arbeitgeber ist nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG berechtigt, den Erholungsurlaub, der einem Arbeitnehmer für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat einer Elternzeit um ein Zwölftel zu kürzen. Dies gilt nach Satz 2 dieser Vorschrift lediglich dann nicht, wenn der Arbeitnehmer während der Elternzeit bei seinem Arbeitgeber Teilzeit leistet. Endet das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit oder wird es im Anschluss an die Elternzeit nicht fortgesetzt, so hat der Arbeitgeber nach § 17 Abs. 3 BEEG den noch nicht gewährten Urlaub abzugelten. Fehlerhaft wäre es, ohne weiteres anzunehmen, dass diese Kürzung des Urlaubsanspruchs aufgrund einer Elternzeit gleichsam von selbst eintritt
Die richtige Strategie:
Nach einem Urteil des BAG vom 19.3.2019 – 9 AZR 495/17 erfolgt die Anpassung des Urlaubsanspruchs an die durch die Elternzeit ausgesetzte Arbeitspflicht nicht automatisch. Sie setzt voraus, dass der Arbeitgeber von der ihm eingeräumten Kürzungsbefugnis durch die Abgabe einer empfangsbedürftigen – und nachweisbaren – rechtsgeschäftlichen Erklärung Gebrauch macht. Entscheidend ist, dass dem Arbeitnehmer erkennbar ist, dass der Arbeitgeber sein Kürzungsrecht ausüben will.
Besonders tückisch ist, dass der Arbeitgeber von diesem Kürzungsrecht nur im bestehenden Arbeitsverhältnis durch Abgabe einer entsprechenden rechtsgeschäftlichen Erklärung Gebrauch machen kann. Er kann den Urlaub vor, während und nach dem Ende der Elternzeit kürzen. Nicht kürzen kann er den Urlaub, bevor der Arbeitnehmer erklärt hat, Elternzeit in Anspruch zu nehmen. Zu spät ist vom Kürzungsrecht Gebrauch gemacht worden, wenn das Arbeitsverhältnis bereits beendet ist. Übersieht der Arbeitgeber dies, kann der Arbeitnehmer den Urlaubsabgeltungsanspruch in ungekürzter Höhe geltend machen. Nach Ansicht des BAG unterliegt dieser Abgeltungsanspruchs nicht der Kürzung.

Der Praxis ist daher dringend zu empfehlen, den Arbeitnehmer während der Elternzeit nachweisbar darauf hinzuweisen, wie hoch sein infolge der Elternzeit gekürzter Urlaubsanspruch ist.

Tipp Nr.147: Begrenzung der Pflicht zur Zahlung tarifvertraglicher Mehrarbeitszuschläge auch an Teilzeitbeschäftigte

Tipp Nr. 147 Begrenzung der Pflicht zur Zahlung tarifvertraglicher Mehrarbeitszuschläge auch an Teilzeitbeschäftigte
Arbeitgeber sind betriebswirtschaftlich daran interessiert, nicht eingeplante Personalkosten möglichst zu vermeiden. Zu einer solchen Erhöhung der Personalkosten kann es kommen, wenn Teilzeitbeschäftigte Mehrarbeit leisten und Tarifverträge, an die ein Arbeitgeber originärer oder kraft Bezugnahmen Arbeitsvertrag gebunden ist, derartige Mehrarbeitszuschläge für Vollzeitbeschäftigte vorsehen. Nach einem Urteil des BAG vom 19. Dezember 2018 – 10 AZR 231/18 – verstößt eine tarifvertragliche Bestimmung, nach der ein Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge erst besteht, wenn die für eine Vollzeittätigkeit maßgebliche Stundenzahl überschritten wird gegen das Diskriminierungsverbot des § 4 Abs. 1 TzBfG. Teilzeitarbeitnehmer haben demnach ebenfalls einen Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge, wenn deren individuelle Arbeitszeit überschritten wird.
Die falsche Strategie:
Strategisch falsch wäre es jedoch, wenn ein Arbeitgeber ohne weiteres und ohne weitere Differenzierung aufgrund dieser Entscheidung Mehrarbeitszuschläge zahlt, wenn teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer ihre vertraglich geschuldete Arbeitszeit überschreiten. . Von dem Zweck der tarifvertraglich vereinbarten Mehrarbeitszuschläge hängt es nämlich nach Ansicht des BAG ab, ob sie ohne weiteres auch für einen Teilzeitbeschäftigten bei Überschreiten der individuellen Arbeitszeit zu leisten sind.
Die richtige Strategie:
Das BAG unterscheidet insoweit folgende mögliche Zwecke:
– Die Mehrarbeitszuschläge sollen zum Ausgleich besonderer Belastungen dienen, wenn Arbeitnehmer über die tarifliche Arbeitszeit einer Vollzeitkraft hinaus tätig werden.
– Die Mehrarbeitszuschläge sollen dazu dienen, den individuellen Freizeitbereich zu schützen und Arbeitnehmer, die Freizeit aufopfern, finanziell zu belohnen.
Nur dann, wenn der Zweck der tarifvertraglichen Regelung darin besteht, den individuellen Freizeitbereich zu schützen, nimmt das BAG eine Ungleichbehandlung an, die zur Verpflichtung des Arbeitgebers führt, teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern bereits bei der Überschreitung ihrer vertraglich geschuldeten Arbeitszeit nicht nur die Mehrarbeitsstunde selbst, sondern auch den entsprechenden Zuschlag zu zahlen. Besteht der Zweck der Mehrarbeitszuschläge hingegen darin, die besondere Belastung auszugleichen, die Vollzeitarbeitnehmer bei Überschreiten ihrer individuellen Arbeitszeit haben, ist eine Unterscheidung zwischen Teilzeitarbeitnehmern und Vollzeitarbeitnehmern weiter erlaubt, da Teilzeitarbeitnehmer gerade diese besondere Belastung, das heißt das Überschreiten der Vollzeit, nicht haben.
Das BAG nimmt die besondere Belastung für die Überschreitung der Vollzeitarbeit, die eine unterschiedliche Behandlung von Vollzeitarbeitnehmern und Teilzeitbeschäftigten zulässt, dann an, wenn in den jeweiligen Tarifverträgen der Programmsatz enthalten ist, wonach Mehrarbeit zu vermeiden ist.
Arbeitgeber haben deshalb zu prüfen, ob eine entsprechende Bestimmung in dem auf das Arbeitsverhältnis des Teilzeitbeschäftigten anwendbaren Tarifvertrags enthalten ist. Nur wenn dies nicht der Fall ist, ergibt sich aus dem Urteil des BAG eine entsprechende Verpflichtung zur Zahlung auch der Mehrarbeitszuschläge.