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Tipp Nr.150: Die richtige Einordnung vertraglicher Bezugnahmeklauseln bei Planungen eines Verbandsaustritts

Tipp Nr. 150 Die richtige Einordnung vertraglicher Bezugnahmeklauseln bei Planungen eines Verbandsaustritts
Gelten Tarifverträge nach § 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1 TVG nicht zwingend und unmittelbar, weil zumindest eine Vertragspartei nicht tarifgebunden ist, hat eine Bezugnahmeklausel eine konstitutive Wirkung. Die Tarifverträge gelten schuldrechtlich in dem Arbeitsverhältnis. Diese konstitutive Wirkung der Bezugnahme besteht aber auch dann, wenn die Tarifverträge nach § 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1 TVG normativ gelten, weil eine beiderseitige Tarifbindung besteht. Eine vertragliche Inbezugnahme des Tarifvertrags führt dann gleichsam zu einem „doppelten Rechtsgrund der Tarifbindung“. Dies ist insbesondere bei einem späteren Verbandsaustritt des Arbeitgebers oder einem Wechsel in die Mitgliedschaft ohne Tarifbindung („OT-Mitgliedschaft“) für organisierte Arbeitnehmer von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Der Arbeitgeber hat auch insoweit betriebswirtschaftlich die Folgen eines solchen Verbandsaustritts vorab zuverlässig zu bestimmen, um dessen Chancen und Risiken vollständig abwägen zu können.
Ist die Kündigungsfrist abgelaufen und der Austritt aus dem Arbeitgeberverband damit vollzogen, ändert dies entgegen einer in der Praxis weit verbreiteten Auffassung an der Tarifbindung zunächst nichts. Der Arbeitgeber muss insbesondere die finanziellen Verpflichtungen, die sich aus den Tarifverträgen ergeben, gegenüber den originär tarifgebundenen Arbeitnehmern weiter erfüllen. Nach § 3 Abs. 3 TVG bleibt die Bindung des Arbeitgebers an die Tarifverträge – und damit auch an die darin niedergelegten finanziellen Verpflichtungen – gegenüber den organisierten Arbeitnehmern weiter bestehen, bis der Tarifvertrag sein Ende findet. Allerdings tritt zugunsten des Arbeitgebers dadurch eine finanzielle Entlastung ein, dass mit dem Zeitpunkt der Beendigung der Mitgliedschaft im Verband die tariflichen Arbeitsbedingungen gegenüber den organisierten Arbeitnehmern nur noch statisch gelten. Nach Beendigung der Mitglied¬schaft abgeschlossene Tarifverträge binden einen ausgetretenen Arbeitgeber deshalb nicht mehr originär.
Die falsche Strategie:
Eine fehlerhafte Überlegung wäre, davon auszugehen, dass aufgrund der Beendigung der originären Tarifbindung in jedem Fall die finanziellen Entwicklungen in künftigen Tarifverträgen nicht mehr zu berücksichtigen sind. Dieser von einem Arbeitgeber regelmäßig mit einem Verbandsaustritt angestrebte Vorteil wird aufgrund des doppelten Rechtsgrunds der Tarifbindung dann zunichte gemacht, wenn aufgrund der vertraglichen dynamischen Bezugnahme die Tarifverträge schuldrechtlich weiter dynamisch gelten. Aufgrund dieser vertraglichen Bezugnahmeklauseln muss er dann u.U. sogar gegenüber Gewerkschaftsmitgliedern die Entwicklungen in späteren Tarifverträgen berücksichtigen.
Die richtige Strategie:
Beabsichtigt ein tarifgebundener Arbeitgeber, die Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband zu kündigen oder aber von der Vollmitgliedschaft in eine OT-Mitgliedschaft zu wechseln, sollte er vorab prüfen, ob der Austritt die von ihm gewünschten Folgen hat. Er muss feststellen, welche Verträge in ihren Bezugnahmeklauseln ausdrücklich die Dynamik bei Beendigung der Vollmitgliedschaft beenden lassen, welche sonstigen Verträge eine dynamische Bezugnahme auf die einschlägigen Tarifverträge enthalten, welche dieser Verträge zum Zeitpunkt seiner Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband vor dem 1.1.2002 geschlossen wurden und nach diesem Zeitpunkt nicht – auch nicht durch Änderungskündigungen – geändert wurden. Es verbleiben dann die Verträge derjenigen Arbeitnehmer, bei denen die Gefahr besteht, dass sie weiter die bisherigen Tarifverträge dynamisch in Bezug nehmen, sodass insoweit insbesondere gewünschte finanzielle Einsparungen, die durch den Verbandsaustritt erreicht werden sollten, nicht eintreten.

Ausführlich zu „Vertragliche Bezugnahmeklauseln und Verbandsmitgliedschaft- Der doppelte Rechtsgrund der Tarifbindung und dessen Folgen“ Kleinebrink, FA 2019, 230ff