Tipp Nr. 137: #metoo: Die richtige Vorgehensweise bei dem Verdacht einer sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz

Tipp Nr. 137: #metoo: Die richtige Vorgehensweise bei dem Verdacht einer sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz

Arbeitgeber haben ein großes betriebswirtschaftliches Interesse, bei einer behaupteten sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz richtig zu reagieren. Erschwert wird das richtige Handeln des Arbeitgebers durch dessen Konfliktlage. Ihn treffen besondere Schutz- und Fürsorgepflichten für die belästigte Person aus § 12 AGG und vertraglichen Schutz- und Fürsorgepflichten aus dem Arbeitsverhältnis nach § 241 Abs. 2 BGB gegenüber der beschuldigten Person.

Die falsche Strategie:

Strategisch falsch wäre es, bei derartigen Vorwürfen nichts zu unternehmen oder ihnen nicht systematisch nachzugehen. Waren die vom Arbeitgeber ergriffenen Maßnahmen nicht ausreichend, um weitere sexuelle Belästigungen zu unterbinden, kann der Arbeitgeber nach § 15 Abs. 1 und 2 AGG von der belästigten Person auf Schadensersatz und Entschädigung in Anspruch genommen werden. Weitaus schwerer als der finanzielle Schaden wiegt bei einer derartigen fehlerhaften Vorgehensweise der immaterielle Schaden einer Rufschädigung für das Unternehmen. Beachtet der Arbeitgeber hingegen das Persönlichkeitsrecht der beschuldigten Person nicht, läuft er Gefahr, schadensersatzpflichtig zu werden, wenn er z. B. den Kreis der in die Ermittlung einbezogenen Personen zu groß zieht oder die Öffentlichkeit informiert.

Die richtige Strategie:

Es bietet sich folgende systematische Vorgehensweise an (ausf. Krieger/Deckers, NZA 2018, 1161ff):

Präventivmaßnahmen:

– Vorhalten einer Beschwerdestelle im Sinne des AGG,

– Bekanntmachung der Beschwerdestelle,

– Erstellen von Guidelines, in denen aufgeführt wird, welches Verhalten nicht toleriert wird und welche Folgen bei Verstößen drohen

– Schulungen von Führungskräften im richtigen Umgang mit Verdachtsmomenten

Vorgehen bei Verdachtsmomenten:

– Ermittlung des Sachverhalts

Ermittlung, ob eine sexuelle Belästigung stattgefunden hat,

Ermittlung, welche Umstände ursächlich dafür waren, dass es zu einer sexuellen Belästigung gekommen ist,

Prüfung, wie die Schwere des Vorfalls einzuordnen ist,

im Rahmen der Ermittlung wörtliche Protokollierung der geführten Gespräche

auf Seiten des Arbeitgebers bei den Gesprächen zwei Personen,

kleiner Kreis der in die Ermittlung einbezogenen Personen,

zügige Durchführung der Ermittlung, insbesondere im Hinblick auf mögliche Ausschlussfristen,

bei komplizierten Sachverhalten Einschaltung juristischer Berater.

Auswahl der richtigen Maßnahme

Geeignetheit der Maßnahme, um zukünftige Belästigungen auszuschließen,

Abhängigkeit der Geeignetheit von den Umständen, die zur sexuellen Belästigung geführt haben,

Erforderlichkeit, d.h. Auswahl der für den Betroffenen am wenigsten belastenden Maßnahme bei mehreren gleich geeigneten Maßnahmen,

Angemessenheit, d.h. Sanktion nicht außer Verhältnis zur Tat

Umsetzung der Maßnahme, insbesondere

Umsetzung bzw. Versetzung,

Abmahnung,

fristgerechte oder fristlose Kündigung

 

Tipp Nr. 136: Der richtige Umgang mit der Vergütung von Reisezeiten

Tipp Nr. 136 Der richtige Umgang mit der Vergütung von Reisezeiten
Arbeitgeber haben ein betriebswirtschaftliches Interesse, nur solche Zeiten zu vergüten, in denen tatsächlich eine Arbeitsleistung erbracht wird. Für sie ist deshalb u.a. von Interesse, ob sie die Reisezeiten vergüten müssen.
Die falsche Strategie:
Strategisch falsch ist es, derartige Zeiten generell und in jeder von Arbeitnehmer beanspruchten Höhe zu bezahlen. In der Praxis wird häufig nicht ausreichend zwischen der Arbeitszeit im arbeitszeitrechtlichen Sinne (Arbeitsschutzrecht), der Arbeitszeit im individualrechtlichen Sinn (Vertragsrecht) und der Arbeitszeit im mitbestimmungsrechtlichen Sinn unterschieden.
Die richtige Strategie:
Bei der Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinne gibt es nach dem ArbZG nur „schwarz oder weiß“. Entweder liegt Arbeitszeit oder Ruhezeit vor. Eine Zwischenform gibt es nicht. Dies unterscheidet die Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinne von der Arbeitszeit im vertragsrechtlichen Sinn. Dort kann die Dienstreise neben Arbeitszeit und Freizeit auch eine Sonderform der Arbeitszeit darstellen. Insoweit darf der Arbeitgeber auch eine gesonderte Vergütungsregelung treffen, sofern ein Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung nicht bereits entsprechende Regelungen enthalten. Zwei jüngere Entscheidungen des BAG verdeutlichen dies.
Hat ein Arbeitnehmer seine Tätigkeit außerhalb des Betriebs zu erbringen, wie dies z.B. bei Montagestammarbeitern der Fall ist, gehört das Fahren zur auswärtigen Arbeitsstelle zwar zu den vertraglichen Hauptleistungspflichten. Durch Arbeits- oder Tarifvertrag kann jedoch eine gesonderte Vergütungsregelung für eine andere als die eigentlich Tätigkeit und damit auch für entsprechende Fahrzeiten getroffen werden (BAG v. 25.4.2018 – 5 AZR 424/17).
Entsprechendes wird man auch für die Zeiten einer Hin- und Rückreise annehmen können, wenn ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer vorübergehend zur Arbeit ins Ausland entsendet. In einem Urteil vom 17.
10.2018 – 5 AZR 553/17 –, dass bisher erst als Pressemitteilung vorliegt, weist das BAG zwar darauf hin, dass derartige Zeiten in der Regel wie Arbeit zu vergüten seien. Da es sich hier aber ebenfalls bei der Reisezeit um eine Sonderform der Arbeitszeit handelt, wird man auch insoweit annehmen können, dass durch Arbeitsvertrag eine pauschale Vergütungsregelung möglich ist, sofern dem ein Tarifvertrag nicht entgegensteht.
In der Praxis sollten Personalverantwortliche deshalb prüfen, inwiefern entsprechende Regelungen gerade in Zeiten größerer Mobilität vertraglich möglich und sinnvoll sind.

Tipp Nr.135: Die richtige Gestaltung von Ausschlussfristen unter Geltung des Mindestlohns

Tipp Nr. 135 Die richtige Gestaltung von Ausschlussfristen unter Geltung des Mindestlohns
Arbeitgeber sind daran interessiert, möglichst frühzeitig sicherzustellen, dass Arbeitnehmer ihnen gegenüber keine Ansprüche mehr erheben. Gesetzliche Verjährungsfristen stellen insoweit keine große Hilfe dar, da sie zu lang sind. So sieht insbesondere § 195 BGB vor, dass die regelmäßige Verjährungsfrist 3 Jahre beträgt. Vor diesem Hintergrund gewinnen Ausschlussfristen eine große Bedeutung, da sie weitaus früher Rechtssicherheit schaffen. Ist ein Arbeitgeber tarifgebunden oder aber hat er im Arbeitsvertrag vollständig auf ein Tarifwerk Bezug genommen, gelten über die entsprechenden Tarifverträge in den meisten Fällen bereits derartige Ausschlussfristen, sofern der Arbeitgeber tarifgebundene ist oder zumindest vollständig im Arbeitsvertrag auf das einschlägige Tarifwerk seiner Branche Bezug genommen hat. Nur dann, wenn dies nicht der Fall ist, muss er die Ausschlussfrist eigenständig im Arbeitsvertrag aufnehmen. Voraussetzung für den kurzfristigen gewünschten Ausschluss von arbeitnehmerseitigen Ansprüchen ist indes, dass die vertragliche Ausschlussfrist wirksam ist.
Die falsche Strategie:
Strategisch falsch wäre in diesem Zusammenhang, wenn in der vom Arbeitgeber vorformulierten arbeitsvertraglichen Vertragsklausel ohne jede Einschränkung alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und damit auch der ab dem 1.Januar 2015 von § 1 MiLoG garantierte Mindestlohn ab einem bestimmten Zeitpunkt ausgeschlossen würden. Nach einem neuen Urteil des BAG vom 18.9.2018 – 9 AZR 162/18 – ist eine derartige Verfallklausel unwirksam.
Die richtige Strategie:
Strategisch richtig ist vielmehr, die nach dem 31.12.2014 geschlossenen Verträge daraufhin zu überprüfen, ob sie in einer Verfallklausel Ansprüche auf den gesetzlichen Mindestlohn ausdrücklich ausnehmen. Eine denkbare Musterformulierung, die ansonsten baldmöglichst mit dem betreffenden Arbeitnehmer vereinbart werden sollte, könnte folgenden Inhalt haben:
„Alle beiderseitigen Ansprüche aus und in Verbindung mit diesem Vertragsverhältnis verfallen, wenn sie nicht binnen 3 Monate nach Fälligkeit gegenüber dem Vertragspartner in Textform geltend gemacht werden.
Lehnt der Vertragspartner die Erfüllung des Anspruchs ab oder erklärt er sich hierzu nicht innerhalb von 3 Wochen nach Geltendmachung („Erklärungsfrist“), so verfällt der Anspruch, wenn er nicht innerhalb von 3 Monaten nach der Ablehnung bzw. zum Ablauf der Erklärungsfrist gerichtlich geltend gemacht wird.
Die vorstehenden Verfallfristen gelten nicht für Ansprüche auf arbeitsvertraglich nicht abdingbare gesetzliche oder tarifliche Mindestarbeitsbedingungen, zum Beispiel den gesetzlichen Mindestlohn nach § 1 MiLoG, für Ansprüche aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit des Mitarbeiters, für Ansprüche, die auf einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung des Arbeitgebers, des gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Arbeitgebers beruhen und für Ansprüche aus einer Haftung wegen Vorsatzes.
Die oben genannten Fristen von 3 Monaten gelten nicht, soweit für diese Ansprüche kürzere gesetzliche Fristen vorgesehen sind.“

Tipp Nr.134: Der richtige Umgang mit der Zahlung einer Streikbruchprämie im Arbeitskampf

Tipp Nr. 134 Der richtige Umgang mit der Zahlung einer Streikbruchprämie im Arbeitskampf
Drohen Gewerkschaften Streiks im Unternehmen an, haben Arbeitgeber ein betriebswirtschaftliches Interesse, dass sich möglichst wenig Arbeitnehmer an diesem Streik beteiligen, um Produktionsausfälle zu vermeiden. Häufig wird deshalb in der Praxis überlegt, ob eine Zahlung einer Prämie an diejenigen Arbeitnehmer, die sich nicht am Streik beteiligen, sinnvoll ist.
Die falsche Strategie:
Ein Arbeitgeber, dem ein Streik droht, ist nach Ansicht des BAG grundsätzlich berechtigt, zum Streik aufgerufene Arbeitnehmer durch Zusage einer Prämie (Streikbruchprämie) von einer Streikbeteiligung abzuhalten (BAG v. 14.8.2018 – 1 AZR 287/17. Die Zahlung einer derartigen Prämie ist selbst dann nicht unverhältnismäßig, wenn sie den Tagesverdienst von Arbeitnehmern um ein mehrfaches überschreitet. Dennoch wäre es strategisch falsch, wenn sich Arbeitgeber ohne weitere Überlegungen entschließen, eine solche Zahlung vorzunehmen.
Die richtige Strategie:
Arbeitgeber müssen bedenken, dass ein im späteren Tarifvertrag enthaltene Maßregelungsverbot nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG einen Nachzahlungsanspruch der Streikenden auslöst (BAG v. 13.7.1993 – 1 AZR 676/92). Solche Maßregelungsverbote sehen zum Beispiel vor, dass jede Maßregelung aus Anlass der Tarifverhandlungen unterbleibt oder rückgängig gemacht wird. Enthält ein späterer Tarifvertrag folglich eine solche Klausel, muss der Arbeitgeber auch dem streikenden Arbeitnehmer nachträglich die entsprechenden Prämien zahlen. Bei späteren Streiks wird dadurch die Wirksamkeit einer solchen Streikbruchprämie erheblich beeinträchtigt.
Sinnvoll ist die Zahlung einer Streikbruchprämie strategisch dann, wenn in einem Unternehmen noch kein Tarifvertrag gilt und ihn die zum Streik bereite Gewerkschaft deshalb zum ersten Mal, zum Beispiel als Anerkennungstarifvertrag, durchsetzen will. Gelingt es dem Arbeitgeber dann durch Zahlung einer Streikbruchprämie zu verhindern, dass es überhaupt zum Abschluss eines Tarifvertrages kommt, weil zu wenig Arbeitnehmer sich am Streik beteiligen und sich die Gewerkschaft deshalb von ihrem Vorhaben abbringen lässt, hat er sein Ziel erreicht. Mangels eines Tarifvertrags kommt es dann nicht zur Vereinbarung eines Maßregelungsverbots.
Strategisch richtig handelt ein Arbeitgeber folglich dann, wenn er diese Folgen bedenkt und abwägt, bevor er eine Streikbruchprämie zahlt.

Tipp Nr.133: Beendigung von Arbeitsverhältnissen bei dauernder voller Erwerbsunfähigkeit

Tipp Nr. 133 Beendigung von Arbeitsverhältnissen bei dauernder voller Erwerbsunfähigkeit
Gesetzlich versicherte Arbeitnehmer sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI voll erwerbsgemindert, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Folglich sind sie in diesem Fall auch nicht mehr in der Lage, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.
Die falsche Strategie:
Übersehen wird in der Praxis häufig, dass das Arbeitsverhältnis nicht gleichsam automatisch endet, wenn eine solche dauernde volle Erwerbsminderung vorliegt. Strategisch falsch wäre, wenn der Arbeitgeber sich darauf beschränkt, erst dann zu reagieren, wenn eine solche dauernde Erwerbsunfähigkeit bei einem Arbeitnehmer eintritt. Er müsste dann versuchen, das Arbeitsverhältnis durch Kündigung zu beenden. Hierbei riskiert er, dass der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erhebt. Einen Aufhebungsvertrag abschließen kann er nur dann, wenn der Betroffene Arbeitnehmer einverstanden ist.
Die richtige Strategie:
Die richtige Strategie besteht darin, bereits im Arbeitsvertrag eine Regelung aufzunehmen, die vorsieht, dass das Arbeitsverhältnis im Falle einer dauerhaften vollständigen Erwerbsunfähigkeit endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Das BAG hat den Bezug einer Rente wegen dauerhafter vollständig Erwerbsminderung als auflösende Bedingung nach § 21 TzBfG iVm § 14 Abs. 1 TzBfG anerkannt (BAG. 15.2.2017 – 7 AZR 82/15). Unerheblich ist, wenn sich der Versicherungsträger im Bewilligungsbescheid vorbehalten hat, die Anspruchsberechtigung zu überprüfen. Nicht ausreichend ist indes, wenn die volle Erwerbsminderungsrente nur befristet gewährt wird. In diesem Fall ruht das Arbeitsverhältnis lediglich. Da es sich um ein auflösend bedingten Arbeitsvertrag handelt, endet der Arbeitsvertrag bei Eintritt der Bedingung nach § 21 TzBfG iVm § 15 Abs. 2 TzBfG frühestens zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Musterformulierung (nach Böhm, ArbRB 2018, 253, 255):
Das Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf des Monats, in welchem dem Arbeitnehmer ein Bescheid zugestellt wird, in dem der zuständige Sozialversicherungsträger bei ihm eine volle dauerhafte Erwerbsminderung verstellt. Bei späteren Beginn des entsprechenden Bezugs an Erwerbsminderungsrente gilt dies jedoch erst mit Ablauf des den Rentenbeginn vorhergehenden Tages, frühestens jedoch zwei Wochen nach Zugang einer schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber über den Eintritt der auflösenden Bedingung. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, den Arbeitgeber unverzüglich über die Zustellung des Rentenbescheids zu informieren.