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Tipp-Nr. 197: die richtige Formulierung von arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklauseln für unternehmensbezogene Verbandstarifverträge

                                                          

Arbeitgeber, die Mitglied eines tarifschließenden Arbeitgeberverbandes sind, wollen häufig alle Arbeitnehmer unabhängig von ihrer Mitgliedschaft in der tarifschließenden Gewerkschaft gleichbehandeln. Zu diesem Zweck werden in die jeweiligen Arbeitsverträge so genannte Bezugnahmeklauseln aufgenommen, die auf die jeweiligen Tarifverträge verweisen und diese für anwendbar erklären. Die wirtschaftliche Situation eines Unternehmens kann jedoch dazu führen, dass die tariflichen Leistungen – zumindest vorübergehend – vom jeweiligen Arbeitgeber nicht oder nicht mehr in vollem Umfang erbracht werden können. In diesem Fall schließt der Arbeitgeber bzw. der für das Unternehmen zuständige Arbeitgeberverband mit der zuständigen Gewerkschaft einen sog. Sanierungstarifvertrag ab. In diesen Fällen kann es in wirtschaftlich schwierigen Zeiten insbesondere fraglich sein, ob bestehende arbeitsvertragliche Bezugnahmeklauseln auch später abgeschlossene unternehmensbezogene Sanierungstarifverträge erfassen. Ist dies nicht der Fall, kann dies gravierende finanzielle Folgen für das Unternehmen haben.

Einen solchen Fall hatte das BAG mit Urteil vom 12.06.2024 – 4 AZR 202/23 – zu entscheiden. Geklagt hatte ein Arbeitnehmer, der Mitglied der IG Metall ist. Der Arbeitgeber ist kraft Mitgliedschaft an die Tarifverträge der Metallindustrie NRW gebunden. Im Arbeitsvertrag wurde folgende arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel vereinbart

„Auf das Arbeitsverhältnis finden im Übrigen die Tarifverträge für die Metall-, Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens, die Arbeitsordnung, deren Inhalt als rechtsverbindlich anerkannt wird, sowie die jeweils gültigen Betriebsvereinbarungen Anwendung.“

Der Verband der Metallindustriellen Niedersachsens e. V., zugleich handelnd für Metall NRW, und der VME Verband der Metall- und Elektroindustrie Sachsen-Anhalt e. V. schloss daraufhin für das Unternehmen mit der IG Metall einen „Unternehmensbezogenen Standort- und Beschäftigungssicherungstarifvertrag“ (SiTV) ab. Dieser sah einen weitgehenden Verzicht der Arbeitnehmer auf tarifliche Sonderzahlungen vor. Hiergegen wandte sich der Kläger und verlangte unter Berufung auf die für ihn günstigere arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel die tariflichen Sonderzahlungen in voller Höhe. Nachdem Arbeitsgericht und LAG die Klage abgewiesen hatten, bekam der Kläger vor dem BAG Recht.

Nach Auffassung des BAG handelt es sich bei der vorliegenden Bezugnahmeklausel um eine zeitdynamische Bezugnahme auf die für die Metall- und Elektroindustrie NRW abgeschlossenen Flächentarifverträge. Der vorliegende unternehmensbezogene Verbandstarifvertrag (SiTV) werde dadurch nicht in Bezug genommen. Enthält ein Arbeitsvertrag eine Bezugnahme auf bestimmte Flächentarifverträge, führt allein der Umstand, dass ein unternehmensbezogener Verbandstarifvertrag von denselben Tarifvertragsparteien vereinbart wurde, nicht dazu, dass auch dieser von der Bezugnahme erfasst wird. Soll das jeweils für den Arbeitgeber geltende Tarifrecht individualvertraglich zur Anwendung kommen, müssten die Arbeitsvertragsparteien dies in der Bezugnahmeklausel eindeutig zum Ausdruck bringen.

Im vorliegenden Fall wurde dem Arbeitgeber zum Verhängnis, dass die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel auf die einschlägigen Flächentarifverträge beschränkt war.

Für Arbeitgeber ergeben sich daraus verschiedene Konsequenzen. Ihnen ist derzeit zu empfehlen, die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel weiter zu fassen. Folgende Tarifwechselklausel ist denkbar:

„Zum Zwecke der Gleichstellung tarifgebundener und nicht tarifgebundener Mitarbeiter finden auf das Arbeitsverhältnis die für den Betrieb räumlich und fachlich geltenden, mit der … (zuständige Gewerkschaft) vereinbarten Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung Anwendung. Dies sind derzeit die Tarifverträge … (z.B. Flächentarifverträge). Dies gilt nur, soweit und solange der Arbeitgeber an diese Tarifverträge nach § 3 Abs. 1 TVG gebunden ist.“

Es bleiben aber die Entscheidungsgründe des BAG abzuwarten, um abschließend beurteilen zu können, ob das BAG weiterhin (Vgl. BAG v. 11.7.2018 – 4 AZR 370/17, BAG v. 14.12.2005 – 10 AZR 296/05) keine höheren Anforderungen an eine solche Tarifwechselklausel stellt. Kritisch ist hingegen in jedem Fall weiterhin, eine Sanierung mit Hilfe eines Haustarifvertrags, d.h. eines Tarifvertrags zwischen Arbeitgeber und Gewerkschaft, durchzuführen, wenn die Bezugnahme sich nicht ausdrücklich auch auf Haustarifverträge erstreckt (BAG v. 12.12.2018 – 4 AZR 123/18, BAG v. 16.5.2018 – 4 AZR 209/15; v. 11.7.2018 – 4 AZR 533/17). In diesem Fall sind die Vertragspartner nicht deckungsgleich.

Darüber hinaus sollten Arbeitgeber bei jeder Gelegenheit bestehende Arbeitsverträge daraufhin überprüfen, ob die darin enthaltenen Bezugnahmeklauseln noch zeitgemäß sind oder entsprechend angepasst werden müssen. Anlass für ein solches Vertragsmanagement können ohnehin notwendige Änderungen des Arbeitsvertrages sein. In diesem Fall sind die Vorgaben des Nachweisgesetzes zu beachten.

Rein vorsorglich sollte in Zukunft auch überlegt werden, ob bei entsprechenden Sanierungstarifverträgen nicht anstelle von drei Vertragspartnern auf Arbeitgeberseite jeder Arbeitgeberverband einen eigenen unternehmensbezogenen Verbandstarifvertrag abschließt. Diese können dann jeweils gleichlautend sein.

Im Ergebnis muss jedoch festgestellt werden, dass die Entscheidung des BAG, so nachvollziehbar die Argumentation nach der Pressemeldung auch sein mag, den sich daraus ergebenden Konsequenzen nicht hinreichend Rechnung trägt. Eine Auslegung der Bezugnahmeklausel, die wie die Vorinstanzen zum gegenteiligen Ergebnis kommt, wäre vor diesem Hintergrund mehr als vertretbar gewesen.