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Tipp 185 Die richtige Strategie für die ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung in der Wartezeit

Arbeitgeber, die nach kurzer Zeit feststellen, dass ein neuer Arbeitnehmer doch nicht den Erwartungen entspricht, möchten sich von ihm ohne großes finanzielles Risiko trennen. Diese Möglichkeit räumt ihnen für eine fristgerechte Kündigung § 1 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) ein. Die fristgerechte Kündigung gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung noch nicht länger als sechs Monate bestanden hat, wird demnach von den Gerichten nicht daraufhin überprüft, ob ein anerkannter Kündigungsgrund vorliegt.

Dies darf allerdings nicht zu der Annahme verleiten, dass man während dieses Zeitraums „einfach so“ fristgerecht kündigen kann. Ist in dem jeweiligen Betrieb ein Betriebsrat gewählt, muss dieser auch dann ordnungsgemäß i.S.d. § 102 BetrVG angehört werden. Beachtet ein Arbeitgeber dies nicht, ist die fristgerechte Kündigung nach § 102 Abs. 1 Satz 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) allein aus diesem Grunde unwirksam. Dies kann von den Gerichten auch überprüft werden, da § 1 Abs. 1 KSchG mit seiner sechs-Monats-Regelung für diese betriebsverfassungsrechtliche Vorgabe nicht gilt. Der Betriebsrat ist nach dem eindeutigen Wortlaut des § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vor „jeder“ Kündigung zu hören. Die Notwendigkeit einer ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung besteht gleichsam vom ersten Tag des Arbeitsverhältnisses an. Auch wenn ein individualrechtlicher Kündigungsschutz nicht oder noch nicht besteht, soll der Betriebsrat in die Lage versetzt werden, auf den Arbeitgeber einzuwirken, um ihn ggf. mit besseren Argumenten von seinem Kündigungsentschluss abzubringen. Dafür muss der Betriebsrat die Gründe kennen, die den Arbeitgeber zur Kündigung veranlassen

Arbeitgeber stehen deshalb vor der Frage, welche Anforderungen an eine solche ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung während der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses gestellt werden. Wichtige Hinweise sind der Entscheidung des BAG v. 12.9.2013 – 6 AZR 121/12 – zu entnehmen.

Bei einer Kündigung in der Wartezeit ist die Substantiierungspflicht des Arbeitgebers nicht an den objektiven Merkmalen der Kündigungsgründe des noch nicht anwendbaren KSchG, sondern allein an den Umständen zu messen, aus denen der Arbeitgeber subjektiv seinen Kündigungsentschluss herleitet

Nach diesem Grundsatz ist der Betriebsrat immer dann ordnungsgemäß angehört, wenn der Arbeitgeber ihm die Gründe mitgeteilt hat, die nach seiner subjektiven Sicht die Kündigung rechtfertigen und die für seinen Kündigungsentschluss maßgeblich sind. Diesen Kündigungsentschluss hat er regelmäßig unter Angabe von Tatsachen so zu beschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe prüfen kann.

Hinsichtlich der Anforderungen, die an die Information des Betriebsrats durch den Arbeitgeber bei Kündigungen in den ersten sechs Monaten eines Arbeitsverhältnisses zu stellen sind, ist deshalb zwischen Kündigungen, die auf substantiierbare Tatsachen gestützt werden und Kündigungen, die auf personenbezogenen Werturteilen beruhen, die sich in vielen Fällen durch Tatsachen nicht näher belegen lassen, zu differenzieren. In der ersten Konstellation genügt die Anhörung den Anforderungen des § 102 BetrVG nur, wenn dem Betriebsrat die zugrunde liegenden Tatsachen bzw. Ausgangsgrundlagen mitgeteilt werden. In der zweiten Konstellation reicht die Mitteilung allein des Werturteils für eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung aus. Der Arbeitgeber ist in diesem Fall nicht verpflichtet, im Rahmen des Anhörungsverfahrens nach § 102 BetrVG sein Werturteil gegenüber der Arbeitnehmervertretung zu substantiieren oder zu begründen.

Liegt der Kündigung ein solches Werturteil zugrunde, sollte der Arbeitgeber strategisch deshalb hierauf die Anhörung des Betriebsrats stützen. Es reicht deshalb z.B. aus, den Betriebsrat – aus Nachweisgründen schriftlich – darauf hinzuweisen, dass der Arbeitnehmer sich „während der Probezeit nicht bewährt“ hat oder der Arbeitnehmer sei „nicht geeignet, die ihm übertragenen Aufgaben ordnungsgemäß zu erfüllen“ oder der Arbeitnehmer genüge „nach unserer allgemeinen, subjektiven Einschätzung die Arbeitnehmerin unseren Anforderungen nicht“ oder der Arbeitnehmer habe die „in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllt“. Ergänzend sollte darauf hingewiesen werden, dass der Arbeitnehmer den Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz noch nicht besitzt, da das Arbeitsverhältnis keine sechs Monate andauert.

Unabhängig von diesem Werturteil sind selbstverständlich die sonstigen Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung zu erfüllen. Hierzu gehören insbesondere die Angaben zu sozialen Daten des Arbeitnehmers wie Beschäftigungsdauer, Lebensalter und Unterhaltspflichten sowie die Länge der Kündigungsfrist.

Besonderheiten gelten, wenn in dem Betrieb eine Schwerbehindertenvertretung besteht. Auf diese Besonderheiten wird später eingegangen werden.