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Tipp Nr. 173: Beachtung von Mitbestimmungsrechen bei einer Beschäftigung über die Regelaltersgrenze hinaus

Tipp Nr. 173 Beachtung von Mitbestimmungsrechten bei einer Beschäftigung über die Regelaltersgrenze hinaus
Arbeitgeber können daran interessiert sein, Arbeitnehmer, die das Rentenalter bereits erreicht haben, weiter zu beschäftigen, weil zum Beispiel ein Ersatz noch nicht gefunden wurde. Das Gesetz bietet hierfür eine wichtige Gestaltungsmöglichkeit, bei der allerdings Beteiligungsrechte des Betriebsrats zu beachten sind.
Die falsche Strategie:
Immer wieder wird in der Praxis versucht, das Problem der Weiterbeschäftigung dadurch zu lösen, dass mit dem Arbeitnehmer unmittelbar nach Erreichen der Regelaltersgrenze ein Beratervertrag abgeschlossen wird, ohne dass sich an der Tätigkeit etwas ändert. Hierbei wird übersehen, dass es sich dann insbesondere aufgrund des weiter bestehenden Weisungsrechts häufig um eine Scheinselbstständigkeit handelt mit allen negativen arbeitsrechtlichen, sozialversicherungsrechtlichen und steuerrechtlichen Folgen (siehe Tipp Nr. 169). Außerdem werden bei einer derartigen Vorgehensweise regelmäßig Beteiligungsrechte eines im Betrieb vorhanden Betriebsrates missachtet.
Die richtige Strategie:
Anstelle eines Beratervertrags sollte der Arbeitgeber die durch § 41 Satz 3 SGB VI gegebene Möglichkeit einer befristeten Verlängerung des Arbeitsvertrages über die Regelaltersgrenze hinaus nutzen (siehe Tipp Nr. 169).
Beachten muss er hierbei aber nach der Rechtsprechung des BAG das Beteiligungsrecht eines im Betrieb vorhanden Betriebsrats nach § 99 BetrVG (BAG v. 22.09.2021 – 7 ABR 22/20). Nach dieser Vorschrift hat der Arbeitgeber einen Betriebsrat in Unternehmen mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern u.a. vor jeder Einstellung zu beteiligen. Unterlässt er dies, kann der Betriebsrat nach § 101 Satz 1 BetrVG beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, die personelle Maßnahme aufzuheben. Hebt der Arbeitgeber dann entgegen einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung die Einstellung nicht auf, so ist nach § 101 Satz 2 BetrVG auf Antrag des Betriebsrats beim Arbeitsgericht verkennen, dass der Arbeitgeber zur Aufhebung der Maßnahme durch Zwangsgeld anzuhalten sei. Das Höchstmaß des Zwangsgeldes beträgt für jeden Tag der Zuwiderhandlung 250 €.
Für dieses Beteiligungsrecht ist nach Ansicht des BAG unerheblich, ob die Altersgrenze in einem Arbeitsvertrag oder in einem Tarifvertrag enthalten ist. Die Weiterbeschäftigung über die Altersgrenze hinaus ist nach Ansicht des BAG nicht von der Zustimmung zu der ursprünglichen Einstellung umfasst. Die Beteiligung des Betriebsrats reicht im Fall einer tariflichen Altersgrenze, wie bei jeder befristeten Einstellung, zunächst nur bis zu der vorgesehenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Nicht entschieden hat das BAG bisher, ob dies auch für eine Altersgrenze gilt, die in einer Betriebsvereinbarung vorgesehen ist. Die Praxis wird sich hierauf aber vorsichtshalber einstellen müssen.
Ausf. zu den Voraussetzungen der „Hinausschiebensvereinbarung“ und Musterformulierungen Kleinebrink, Altersbefristung nach neuem Recht, DB 2014, 1490ff.