Tipp Nr. 158: Vermeidung einer „doppelten“ Aufstockung des Kurzarbeitergelds
Individualrechtliche und kollektivrechtliche Vereinbarungen sehen teilweise eine Aufstockung des Kurzarbeitergelds vor. Im Sozialschutz-Paket II vom 20.05.2020 hat aber auch der Gesetzgeber reagiert. Abweichend von § 105 SGB III ist aufgrund der gegenwärtigen Pandemie nach § 421c Abs. 2 SGB III das Kurzarbeitergeld bis zum 31.12.2020 kraft Gesetzes aufgestockt worden. Arbeitnehmer, die beim Arbeitslosengeld die Voraussetzungen für den erhöhten Leistungssatz erfüllen, haben ab dem 4. Bezugsmonat Anspruch auf 77 % und ab dem 7. Bezugsmonat auf 87 % der Nettoentgeltdifferenz im Anspruchszeitraum. Arbeitnehmer, die die Voraussetzungen für den erhöhten Leistungssatz nicht erfüllen, können abweichend 70 % bzw. 80 % der Nettoentgeltdifferenz verlangen. Ausgangspunkt für die Berechnung sind Monate mit Kurzarbeit ab März 2020 (ausführlich zur Aufstockung des Kurzarbeitergelds in Corona-Zeiten, Kleinebrink, ArbRB 2020,155).
In der Praxis stellt sich nun die Frage, ob Arbeitnehmer, die außerhalb des Gesetzes vereinbarte Aufstockung zusätzlich zu der gesetzlichen Aufstockung verlangen können oder ob die gesetzliche Aufstockung eventuell vorhandene individualrechtliche oder kollektivrechtliche Erhöhungen verdrängt (ausf. hierzu Lunk/Hackethal, NZA 2020,837).
Die falsche Strategie:
Falsch ist, in jedem Fall dem Arbeitnehmer neben der gesetzlichen Aufstockung auch die gesetzliche Aufstockung zu gewähren. Regelmäßig entlastet diese den Arbeitgeber.
Die richtige Strategie:
Entscheidend dürfte die Formulierung der Aufstockungsregelung als auch der Zeitpunkt sein, zudem diese abgeschlossen wurde. Sieht die individualrechtliche oder kollektivrechtliche Regelung vor, dass die Aufstockung des Kurzarbeitergelds bis zu einer gewissen Prozentzahl der Nettoentgeltdifferenz erfolgen soll, führt die gesetzliche Erhöhung des Kurzarbeitergeldes zu einem reduzierten Zuschuss des Arbeitgebers.
Beispiel: Die Höhe des Zuschusses errechnet sich aus dem Unterschiedsbetrag zwischen dem infolge des Arbeitsausfalls verminderten Nettoarbeitsentgelt zuzüglich dem Kurzarbeitergeld und 90 % des Nettoarbeitsentgelts, das der Arbeitnehmer ohne Kurzarbeit im Abrechnungszeitraum erzielt hätte (MTV Chemie vom 24.06.1992 in der Fassung vom 22.11.2019).
Ist individualrechtlich oder kollektivrechtlich vereinbart, dass die Aufstockung des Kurzarbeitergelds um eine bestimmte Anzahl von Prozentpunkten erfolgen soll, spricht auch dies grundsätzlich gegen eine doppelte Berücksichtigung der Aufstockung. Sinn der vereinbarten Aufstockungsleistung war und ist die zumindest teilweise Kompensation der finanziellen Belastung des Arbeitnehmers durch die Kurzarbeit. Der Arbeitnehmer soll sicher sein, ein bestimmtes Einkommen zu erhalten. Erhöht sich das Kurzarbeitergeld kraft Gesetzes, erfolgt bereits durch diese Regelung ganz oder zumindest teilweise die von den Vertragspartnern gewünschte Kompensation, sodass auch insoweit das gesetzlich vorgesehene höhere Kurzarbeitergeld den Arbeitgeber finanziell entlastet.
Beispiel: Für die Dauer der Kurzarbeit erhält der betroffene Arbeitnehmer zum Kurzarbeitergeld einen Zuschuss des Arbeitgebers in Höhe von 16 % des durchschnittlichen Nettoentgelts der letzten 3 Kalendermonate.
Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wird man allenfalls dann annehmen können, wenn die vertragliche Regelung zu einem Zeitpunkt geschlossen wurde, als die zeitlich begrenzten gesetzlichen Neuregelungen zur Aufstockung des Kurzarbeitergelds bereits in Kraft getreten waren. Die Vertragspartner haben es dann in der Hand gehabt, eine Anrechnung ausdrücklich aufzunehmen.