Arbeitnehmer verlangen häufig, dass eine Abmahnung, die sich in ihrer Personalakte befindet, auch dann aus dieser entfernt wird, wenn sie sie inhaltlich nicht beanstanden können. Sie begründen dies damit, dass die Abmahnung aufgrund eines Zeitablaufs nicht mehr in der Akte verbleiben dürfe.
Die falsche Strategie:
Arbeitgeber entfernen Abmahnung, die rechtmäßig gewesen sind, häufig nach einer bestimmten Zeit aus der Personalakte eines Arbeitnehmers. Sie rechtfertigen dies damit, dass auch derartige rechtmäßige Abmahnungen nach einer bestimmten Zeit nicht mehr im Rahmen des Kündigungsgrundes herangezogen werden dürfen.
Die richtige Strategie:
Der Arbeitnehmer kann nach einer neuen Entscheidung des BAG die Entfernung einer zu Recht erteilten Abmahnung aus seiner Personalakte nur noch dann verlangen, wenn das gerügte Verhalten für das Arbeitsverhältnis in jeder Hinsicht bedeutungslos geworden ist (BAG 19.7.2012 – 2 AZR 782/11). Das durch die Abmahnung gerügte Verhalten muss für das Arbeitsverhältnis in jeder Hinsicht rechtlich bedeutungslos geworden sein.
Das ist nicht der Fall, solange eine zu Recht erteilte Abmahnung etwa für eine zukünftige Entscheidung über eine Versetzung oder Beförderung und die entsprechende Eignung des Arbeitnehmers, für die spätere Beurteilung von Führung und Leistung in einem Zeugnis oder für die im Zusammenhang mit einer möglichen späteren Kündigung erforderlich werdende Interessenabwägung von Bedeutung sein kann. Insoweit ist von Bedeutung, dass die Dokumentationsfunktion der Abmahnung für das Vorliegen eines Kündigungsgrunds „an sich“ insbesondere seit der Entscheidung im Fall „Emmely“ (BAG 10.06.2010 – 2 AZR 541/09 Tipp Nr. 27) von deren Einfluss auf die Interessenabwägung getrennt werden muss. Sie kann eine Interessenabwägung zu Gunsten des Arbeitgebers beeinflussen, weil sie ein bereits aufgebautes Vertrauenskapital beseitigen kann.
Darüber hinaus kann es im berechtigten Interesse des Arbeitgebers liegen, die Erteilung einer Rüge im Sinne einer Klarstellung der arbeitsvertraglichen Pflichten weiterhin dokumentieren zu können, um ein Vertrauenskapital auf Seiten des Arbeitnehmers erst gar nicht entstehen zu lassen.
Das BAG hat keine fest bemessene Frist für die Dauer bestimmt, für welche ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers am Verbleib der Abmahnung in der Personalakte des Arbeitnehmers anzuerkennen ist. Maßgeblich sollen die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Schwere des gerügten Fehlverhaltens sein. Je schwerer eine Pflichtverletzung wiegt, desto länger kann sie für die Beurteilung der Führung, der Leistungen und der Fähigkeiten des Arbeitnehmers und ggf. für seine Vertrauenswürdigkeit von Bedeutung sein. Ein auf nur geringer Nachlässigkeit beruhender Ordnungsverstoß kann seine Bedeutung für das Arbeitsverhältnis deutlich eher verlieren als ein Fehlverhalten, welches geeignet ist, das Vertrauen in die Integrität des Arbeitnehmers erheblich zu beeinträchtigen. Auch eine schwere Pflichtverletzung im Leistungsbereich wird ein Interesse des Arbeitgebers an einem Verbleib der Abmahnung in der Personalakte angesichts der Möglichkeit, die Qualität der Arbeitsleistung und die Befähigung des Arbeitnehmers für höherwertige oder andere Tätigkeiten beurteilen zu müssen, für längere Zeit begründen können.
Da der Fristablauf kaum zuverlässig bestimmt werden kann, sollten Arbeitgeber zukünftig zu Recht erteilte Abmahnungen grundsätzlich von sich aus nicht mehr aus der Personalakte nehmen und begründen können, warum weiter ein Dokumentationsinteresse besteht. Außerdem sollten sie prüfen, ob sie sich in einer Betriebsvereinbarung verpflichtet haben, Abmahnungen nach einer bestimmten Zeit aus der Personalakte zu entfernen. Aufgrund der neuen Entwicklung in der Rechtsprechung solle eine solche Betriebsvereinbarung gekündigt werden.