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Tipp Nr. 36: Vermeidung eines Betriebsteilübergangs durch Zerschlagung

Erwirbt ein Arbeitgeber von einem anderen Arbeitgeber durch Rechtsgeschäft einen Betriebsteil, hat dies nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB zur Folge, dass die Arbeitsverhältnisse der in diesem Betriebsteil beschäftigten Arbeitnehmer mit allen Rechten und Pflichten auf den Erwerber übergehen.

Das Ziel:

Hieran haben möglicherweise der Veräußerer und/oder der Erwerber kein Interesse. Der Veräußerer könnte daran interessiert sein, die entsprechenden Arbeitnehmer zu behalten, weil es sich zum Beispiel um Facharbeiter handelt, die er an anderer Stelle im Unternehmen einsetzen möchte; der Erwerber will möglicherweise von seiner schon vorhandenen Belegschaft die Arbeitsaufgaben erledigen lassen, die durch den Erwerb von Betriebsmitteln auf das Unternehmen neu zukommen, um keine zusätzlichen Personalkosten zu haben. Unter Umständen beurteilt er auch die Qualifikation der bisher beim Veräußerer beschäftigten Arbeitnehmer kritisch. Ziel ist es daher in manchen Fällen, den Übergang der Arbeitsverhältnisse zu vermeiden, aber dennoch die immateriellen und/oder immateriellen Werte übergehen zu lassen.

Die falsche Strategie:

Falsch wäre es, zwischen Veräußerer und Erwerber eine Vereinbarung zu treffen, nach der es trotz Übergang eines Betriebsteils nicht zum Übergang von Arbeitsverhältnissen kommt. Die Rechtsfolge des § 613 Abs. 1 Satz 1 BGB steht nämlich nicht zur Disposition. Diese Vorschrift ist zwingend. Eine entsprechende Übereinkunft wäre deshalb nach § 134 BGB unwirksam. Dringend davon abgeraten werden muss auch, dass sich der Veräußerer verpflichtet, die Kosten zu übernehmen, die dem Erwerber dadurch entstehen, dass er sich von den Arbeitnehmern, die kraft Gesetzes nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB auf ihn übergegangen sind, trennt. Diese Kosten sind nicht kalkulierbar.

Die richtige Strategie:

Ein Übergang eines Betriebsteils auf einen Erwerber iSd. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB liegt nur dann vor, wenn die übernommenen Betriebsmittel und/oder Beschäftigten bereits beim Veräußerer eine abgrenzbare organisatorische wirtschaftliche Einheit, dh. einen Betriebsteil dargestellt haben (BAG v. 13.10.2011 – 8 AZR 455/10). Dies können mögliche Veräußerer nutzen. Zeigt ein anderer Arbeitgeber Interesse an einem beim Veräußerer bisher bestehenden Betriebsteil, soll aber die darin beschäftigte Belegschaft nicht auf ihn übergehen, muss der spätere Veräußerer im Vorfeld des Betriebsteilübergangs, d.h. des Übergangs der wirtschaftlichen Einheit, diesen Betriebsteil, insbesondere durch eine  Änderung der Arbeitsorganisation, zerschlagen. Unerheblich ist dann, welche Betriebsmittel bzw. welche bisher beschäftigten Arbeitnehmer aus dem früheren Betriebsteil vom neuen Arbeitgeber erworben bzw. eingestellt werden. Insoweit ist von Bedeutung, in welchen Fällen das BAG von einem Betriebsteil ausgeht. Dieser darf nach der Zerschlagung nicht mehr vorliegen.

Der Begriff der wirtschaftlichen Einheit bezieht sich auf eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigenem Zweck, die hinreichend strukturiert und selbständig ist. Eine solche Einheit muss nicht unbedingt bedeutsame materielle oder immaterielle Betriebsmittel umfassen. In bestimmten Wirtschaftszweigen liegen diese Betriebsmittel nämlich oft nur in ihrer einfachsten Form vor und es kommt dort im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft an. Daher kann eine organisierte Gesamtheit von Arbeitnehmern, denen eigens und auf Dauer eine gemeinsame Aufgabe zugewiesen ist, eine wirtschaftliche Einheit darstellen, ohne dass weitere Betriebsmittel vorhanden sind. In diesem Zusammenhang ist für die Beurteilung des Vorliegens einer wirtschaftlichen Einheit iSv. Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23/EG auch zu prüfen, ob die vom Veräußerer übertragenen Betriebsmittel bei ihm eine einsatzbereite Gesamtheit dargestellt haben, die als solche dazu ausgereicht haben, die für die wirtschaftliche Tätigkeit des Unternehmens charakteristischen (Dienst-)leistungen ohne Inanspruchnahme anderer wichtiger Betriebsmittel oder anderer Unternehmensteile erbringen zu können.