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Tipp Nr. 35: Vertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalt

Häufig gewähren Arbeitgeber Arbeitnehmern freiwillig finanzielle Leistungen. Da sie nicht übersehen können, ob sie auch zukünftig bereit und in der Lage sind, diese freiwilligen Leistungen zu finanzieren, nehmen sie häufig vertragliche Freiwilligkeitsvorbehalte auf. Allein dies wird allerdings wohl in Zukunft nicht mehr ausreichen, die gewünschte Flexibilität zu erhalten.

Die falsche Strategie

Nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG genügte es, einen Freiwilligkeitsvorbehalt in einen Arbeitsvertrag aufzunehmen, um künftige Ansprüche aus betrieblicher Übung auszuschließen. Nicht erforderlich war bisher, diesen Vorbehalt bei jeder Zahlung zu wiederholen und auf den Vorrang von Individualabreden hinzuweisen (BAG  08.12.2010 – 10 AZR 671/09; BAG  30.07.2008 – 10 AZR 606/07).

Von dieser Rechtsprechung weicht das BAG in einer neuen Entscheidung nun ab. Wörtlich führt das BAG aus (BAG 14.9.2011 – 10 AZR 526/10):

„Der Senat hat bereits Bedenken, ob ein solcher vertraglicher Vorbehalt dauerhaft den Erklärungswert einer ohne jeden Vorbehalt und ohne den Hinweis auf die vertragliche Regelung erfolgten Zahlung so erschüttern kann, dass der Arbeitnehmer das spätere konkludente Verhalten des Arbeitgebers entgegen seinem gewöhnlichen Erklärungswert nicht als Angebot zur dauerhaften Leistungserbringung verstehen kann. Die vorliegende Fallgestaltung mit einer mehr als 20 Jahre lang erfolgten vorbehaltlosen Zahlung einer zusätzlichen Vergütung lässt eine entsprechende Annahme als zweifelhaft erscheinen.“

Zusätzlich verlangt das BAG einen Hinweis auf die gesetzliche Regelung des § 305b BGB, nach der künftige Individualabsprachen  einem derartigen Freiwilligkeitsvorbehalt in jedem Fall vorgehen (BAG 14.9.2011 – 10 AZR 526/10).

„Mit diesem Vorrang der Individualabrede ist ein Freiwilligkeitsvorbehalt nicht zu vereinbaren, der so ausgelegt werden kann, dass er Rechtsansprüche aus späteren Individualabreden ausschließt.“

Dieses Beispiel zeigt, dass das strategische Arbeitsrecht nicht nur bedeutet, eine von mehreren arbeitsrechtlichen Vorgehensweisen, mit deren Hilfe ein bestimmtes arbeitsrechtliches Ziel erreicht werden kann, nach sorgfältiger Abwägung auszuwählen und durchzuführen. Es muss später zusätzlich immer kontrolliert werden, ob die einmal gewählte Strategie nicht aufgrund von Änderungen in der Rechtsprechung oder Gesetzgebung geändert werden muss (siehe ausführlich Kleinebrink, BB 2010, 2448).

Die richtige Strategie.

Zukünftig sollte – weiter – ein vertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalt aufgenommen werden, der allerdings den Vorrang von Individualabreden betont.

„Bei nicht tariflich oder aufgrund sonstiger Rechtsgrundlage geschuldeten Gratifikationen, Prämien, und sonstigen Einmalzahlungen des Arbeitgebers, die nicht Bestandteil des laufenden monatlichen Arbeitsentgelt sind, handelt es sich um freiwillige Leistungen des Arbeitgebers, auf die auch bei wiederholter Gewährung kein Rechtsanspruch für die Zukunft besteht. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn durch eine Individualabrede ein Rechtsanspruch begründet wird.“

Außerdem sollte aber bei jeder Einmalzahlung, die vom Arbeitgeber freiwillig gewährt wird, ein Hinweis darauf erfolgen, dass

– die entsprechende Einmalzahlung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erbracht wird,

– aus der tatsächlichen Gewährung der Einmalzahlung keine Rechtsansprüche für die Zukunft hergeleitet werden können,

– dies auch dann gilt, wenn die Leistung mehrfach und ohne ausdrücklichen Hinweis darauf erfolgt, dass aus der Leistung Rechtsansprüche für die Zukunft nicht entstehen können.

Im Hinblick darauf, dass eine betriebliche Übung erst bei dreimaliger vorbehaltlose Gewährung der freiwillige Leistung angenommen wird, wird man sich darauf beschränken können, einen entsprechenden Hinweis bei jeder 2. Gewährung der Einmalzahlung vorzunehmen. Es muss allerdings für einen beweissicheren Zugang des entsprechenden Hinweises bei jedem einzelnen Arbeitnehmer, der eine entsprechende Leistung erhält, gesorgt werden.