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Tipp Nr. 34: „Betriebsvereinbarungsoffen“ -Flexibilisierung von Vertragsbedingungen durch Betriebsvereinbarungen

Arbeitgeber sind regelmäßig daran interessiert, insbesondere finanzielle Vertragsbedingungen äußerst flexibel zu gestalten, um zum Beispiel in Krisenzeiten möglichst rasch Personalkosten senken zu können.

Die falsche Strategie

In der Praxis herrscht in Unternehmen häufig die Ansicht vor, dies sei allein schon durch Änderungskündigungen iSd § 2 KSchG möglich. Auf Vertragsgestaltung wird deshalb insoweit kein besonderer Wert gelegt. Dabei wird aber übersehen, dass Änderungskündigungen, die allein dazu dienen sollen, in das Arbeitsentgelt einzugreifen, regelmäßig sozial nicht  gerechtfertigt sind. Eine Ausnahme erkennt das BAG nur dann an, wenn die Unrentabilität des Betriebes einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu unveränderten Bedingungen des Arbeitsvertrages entgegensteht. Ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Änderung der Arbeitsbedingungen kann allerdings auch dann nur vorliegen, wenn durch die Senkung der Personalkosten die Stilllegung des Betriebes oder die Reduzierung der Belegschaft verhindert werden kann und die Kosten durch andere Maßnahmen nicht zu senken sind. Regelmäßig setzt deshalb eine solche Situation einen umfassenden Sanierungsplan voraus, der alle gegenüber der beabsichtigten Änderungskündigung milderen Mittel ausschöpft (BAG 27.09.2001 – 2 AZR 236/00).

Die richtige Strategie.

Offen halten sollte sich ein Arbeitgeber daher die Möglichkeit, arbeitsvertragliche Bedingungen auch durch Betriebsvereinbarungen zulasten von Arbeitnehmern abzuändern. Ein Arbeitgeber kann in Arbeitsverträgen geregelte finanzielle Bedingungen auch zulasten der betroffenen Arbeitnehmer durch eine Betriebsvereinbarung eingreifen, wenn die vertragliche Regelung „betriebsvereinbarungsoffen “ ist, weil sie einen ausdrücklichen oder stillschweigenden Vorbehalt der Ablösung durch eine spätere Betriebsvereinbarung enthält (siehe neuerdings z.B. BAG 16.11. 2011 – 10 AZR 60/11).

Im Falle des Übergangs von Arbeitsverhältnissen nach § 613 a Abs. 1 BGB sollte der Erwerber im Vorfeld prüfen, ob die Arbeitsverträge der Arbeitnehmer, deren neuer Arbeitgeber er kraft Gesetzes werden würde, derartige Öffnungsklausel enthalten. Regelmäßig können ihm derartige Klauseln dann ermöglichen, durch Betriebsvereinbarung vom Veräußerer freiwillig zusätzlich gewährte und im Arbeitsvertrag enthaltene finanzielle Leistungen, zu reduzieren, um zumindest diesen Teil der Arbeitsbedingungen mit denen seiner Belegschaft zu vereinheitlichen.

Derzeit ist – soweit ersichtlich – höchstrichterlich noch nicht geklärt, welche Anforderungen an eine entsprechende Öffnungsklausel im Arbeitsvertrag zu stellen sind. Bedenkt man, dass es sich bei entsprechenden Klauseln regelmäßig um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, sollten die Vorgaben der §§ § 305f.. BGB unbedingt beachtet worden werden, insbesondere die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB und das Transparenzgebot des § 307 BGB. Deutlich werden muss für den Arbeitnehmer, dass die Regelungen in der späteren Betriebsvereinbarung auch dann den Bestimmungen aus dem Vertrag vorgehen, wenn die Betriebsvereinbarung aus seiner Sicht schlechter sind.

Folgende Formulierung ist denkbar:

„Die Parteien sind sich darüber einig, dass die mit dem Betriebsrat bereits abgeschlossenen und noch abzuschließenden Betriebsvereinbarungen den Regelungen in diesem Vertrag oder anderen einzelvertraglichen Absprachen auch dann vorgehen, wenn die vertragliche Regelung im Einzelfall günstiger ist“ (Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, 3. Auflage 2009, II O 10 Rz. 2).

In der Betriebsvereinbarung muss deutlich werden, welche vertraglichen Bestandteile durch sie abgelöst werden sollen. Zweifel gehen auch insoweit zulasten des Arbeitgebers, so dass dieser dann mangels einer ablösenden Regelung Gefahr läuft, die in der Betriebsvereinbarung enthaltenen finanziellen Leistungen zusätzlich zu den schon im Vertrag geregelten finanziellen Bedingungen gewähren zu müssen (BAG 16.11. 2011 – 10 AZR 60/11).