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Tipp Nr. 33: Vermeidung von Annahmeverzug durch Prozessbeschäftigung

Kündigt ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer, geht er ein erhebliches finanzielles Risiko für den Fall ein, dass ein Arbeitsgericht auf eine entsprechende Klage des Arbeitnehmers die Kündigung rechtskräftig für nicht rechtmäßig hält. Infolge einer solchen unwirksamen Kündigung gerät der Arbeitgeber in Annahmeverzug, ohne dass es eines Angebots des Klägers im Sinne des § 296 BGB bedurft hätte (vgl. nur BAG v. 27.8.2008 – 5 AZR 16/08). Der Arbeitnehmer steht nicht nur weiterhin in einem Arbeitsverhältnis zu ihm; er muss ihm auch das Arbeitsentgelt für den Zeitraum nachzahlen, während dem er den Arbeitnehmer aufgrund des Ablaufs der Kündigungsfrist nicht beschäftigt und deshalb auch nicht vergütet hat.

Die falsche Strategie:

Nicht empfehlenswert ist, diese Differenzzahlung ohne weiteres zu riskieren. Zu bedenken ist nämlich, dass sich der Arbeitnehmer auf die Annahmeverzugsvergütung im Sinne des § 615 Satz 1 BGB nach § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG anrechnen lassen muss, was er bei seinem Arbeitgeber nach Ablauf der Kündigungsfrist zu verdienen böswillig unterlassen hat. Dieser hat es daher in der Hand, durch eine so genannte Prozessbeschäftigung sein Annahmeverzugsrisiko zu mindern. Bei ihr beschäftigt der Arbeitgeber den gekündigten Arbeitnehmer – oder den Arbeitnehmer, der eine wirksame Befristung des Arbeitsverhältnisses bestreitet – zeitlich befristet bis zur rechtskräftigen Beendigung des Rechtsstreits weiter. Eine solche Prozessbeschäftigung sollte zumindest angedacht werden; ob diese rechtliche Gestaltungsmöglichkeit dann genutzt wird, ist eine Frage des Einzelfalls.

Die richtige Strategie

Nach § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG muss sich der Arbeitnehmer auf das Arbeitsentgelt, das ihm der Arbeitgeber für die Zeit nach der Entlassung schuldet, anrechnen lassen, was er hätte verdienen. Dabei kommt eine Anrechnung auch in Betracht, wenn die Beschäftigungsmöglichkeit bei dem Arbeitgeber besteht, der sich mit der Annahme der Dienste des Arbeitnehmers im Verzug befindet, d.h. bei dem Arbeitgeber, der die Kündigung erklärt hat.

Die Beschäftigung beim bisherigen Arbeitgeber muss allerdings zumutbar sein. Die Unzumutbarkeit der Arbeit kann sich unter verschiedenen Gesichtspunkten ergeben. Sie kann ihren Grund in der Person des Arbeitgebers, der Art der Arbeit und den sonstigen Arbeitsbedingungen haben. Auch vertragsrechtliche Umstände sind zu berücksichtigen.

Nach einer neuen Entscheidung des BAG (17.11.2011 – 5 AZR 564/10) ist die nichtvertragsgemäße Arbeit im Rahmen einer Prozessbeschäftigung aber nicht ohne weiteres mit unzumutbarer Arbeit gleichzusetzen.

Eine solche Prozessbeschäftigung bedarf allerdings einer einvernehmlichen schriftlichen Regelung nach § 14 Abs. 4 TzBfG zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer, da es sich im ein befristetes Arbeitsverhältnis handelt (BAG v. 22.10.2003 – 7 AZR 113/03).

Zumindest überlegt werden sollte deshalb immer, ob der Arbeitnehmer nicht während der Dauer des Rechtsstreits auch dann weiter beschäftigt werden soll, wenn ihm nur eine nicht vertragsgemäß geschuldete Arbeit angeboten werden kann, um auf diese Weise das Annahmeverzugsrisiko zu verringern.

Eine solche Prozessbeschäftigung sollte regelmäßig allerdings nur bei einer Kündigung aus personenbedingten Gründen oder bei einer ordentlichen Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen erwogen werden. Sie ist auch dann denkbar, wenn die Parteien über die wirksame Befristung eines Arbeitsverhältnisses streiten.

Vorsichtig sollte mit ihr bei einer betriebsbedingten Kündigung umgegangen werden Bei einer solchen Kündigung setzt sich der Arbeitgeber mit dem Angebot einer Prozessbeschäftigung möglicherweise mit dem Kündigungsgrund im Widerspruch. Ein dringendes betriebliches Erfordernis für eine Betriebsbedingte Kündigung besteht nämlich nur dann, wenn spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist der Arbeitsplatz entfallen ist. Beschäftigt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über den Ablauf der Kündigungsfrist bei einer solchen betriebsbedingten Kündigung hinaus, könnte ein Gericht daraus schließen, dass es tatsächlich zum Wegfall des Arbeitsplatzes nicht gekommen ist, sofern der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht mit einer anderen nichtvertragsgemäßen Arbeit beschäftigt, die nachweisbar nur befristet vorhanden ist und keinen eigenständigen Arbeitsplatz darste