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Tipp Nr.154: Corona 1 – Der strategische Umgang mit der Entgeltfortzahlung bei Verhinderung aufgrund häuslicher Betreuung von Kindern

Tipp Nr. 154 Corona 1 Der strategische Umgang mit der Entgeltfortzahlung bei Verhinderung aufgrund häuslicher Betreuung von Kindern
Arbeitgeber haben ein betriebswirtschaftliches Interesse daran, Zeiten, in denen ein Arbeitnehmer nicht arbeitet, nicht zwingend vergüten zu müssen. Unberührt bleibt hiervon dann die Entscheidung, dem Arbeitnehmer auf anderem Weg entgegenzukommen. Nach dem Auftreten des Corona-Virus sind Arbeitgeber verunsichert, ob und gegebenenfalls wie lange sie zur Entgeltfortzahlung verpflichtet sind, wenn Arbeitnehmer verhindert sind, ihrer Arbeit nachzugehen, weil sie ihre Kinder aufgrund der Schließung von Kindergärten und Schulen zu Hause betreuen müssen.
Die falsche Strategie:
Strategisch falsch ist es, wenn ein Arbeitgeber sich in jedem Fall für rechtlich verpflichtet hält, bei der Verhinderung von Arbeitnehmern im Zusammenhang mit dem Auftauchen des Corona-Virus Entgeltfortzahlung zu leisten. Er sollte zunächst klären, ob und inwieweit tatsächlich eine solche rechtliche Verpflichtung besteht, um anschließend zu überlegen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang er in den Fällen, in denen eine solche rechtliche Verpflichtung ausscheidet, finanziell hilft.
Die richtige Strategie:
In den Medien wird teilweise die Auffassung vertreten, gegenüber Arbeitnehmern, die aufgrund der Schließung von Kindergärten und Schulen ihre Kinder zu Hause betreuen müssten, sei eine Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber nach § 616 BGB verpflichtend.
Selbst wenn man einmal unterstellt, dass dieser Fall aufgrund des § 275 Abs. 3 BGB ein „in der Person des Arbeitnehmers liegender Grund“ ist, ist diese Aussage in dieser Allgemeinheit unzutreffend. Sie vernachlässigt, dass § 616 BGB nicht zwingend ist und deshalb abbedungen werden kann. Es sind deshalb folgende Prüfungsschritte erforderlich:
Prüfung, ob die Geltung des § 616 BGB im Arbeitsvertrag ausdrücklich ausgeschlossen ist. Ein derartiger Ausschluss ist rechtlich zulässig (BAG v. 20.6.1995 – 3 AZR 857/94).
Prüfung, ob die Fallgruppen, bei deren Vorliegen der Arbeitgeber wegen vorübergehender Verhinderung des Arbeitnehmers Entgeltfortzahlung leisten muss, in einem einschlägigen Tarifvertrag abschließend geregelt sind. Ist dies der Fall und ist hierunter die zwingende Betreuung von Kindern bei Schließung von Kindergärten und Schulen nicht erwähnt, besteht ebenfalls kein Anspruch des Arbeitnehmers aus § 616 BGB (vgl. BAG v. 13.12.2001 – 6 AZR 30/01).
Prüfung bei fehlendem Ausschluss des § 616 BGB, ob die Betreuung durch den Arbeitnehmer zwingend erforderlich ist.
Erst wenn man dann zur Anwendbarkeit § 616 BGB kommt, stellt sich die Frage, wann der Arbeitnehmer für eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ verhindert ist. Teilweise wird insoweit unter Berufung auf eine Entscheidung des BGH vom 30.11.1978 – III ZR 43/77 von sechs Wochen ausgegangen. Dieser Fall betraf jedoch einen Arbeitnehmer, gegen den ein seuchenpolizeiliches Tätigkeitsverbot verhängt wurde (sog. Ausscheider). Näher liegt es deshalb, von der Art und Bedeutung des Verhinderungsfalls auszugehen. Dies rechtfertigt es, dem Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 616 BGB nur für wenige Tage, keinesfalls aber für mehr als fünf Tage im Kalenderjahr zuzubilligen. Wird dieser Zeitraum überschritten, entfällt der Anspruch auf Entgeltfortzahlung vollständig (vgl. BAG v. 11.8.1988 – 8 AZR 721/85). Ist dies der Fall, kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zum Beispiel durch unbezahlten Urlaub, Abbau von Guthabenstunden auf dem Freizeitkonto usw. entgegenkommen.