Suche

Tipp Nr.152: Der richtige Umgang mit Krankschreibung „per Knopfdruck“.

Tipp Nr. 152 Der richtige Umgang mit Krankschreibungen „per Knopfdruck“
Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, so hat er nach § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von 6 Wochen. Dieser Anspruch entsteht nach 4-wöchiger ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses. Aufgrund dieser finanziellen Belastung, der keine Arbeitsleistung des Arbeitnehmers entgegensteht, haben Arbeitgeber ein Interesse daran, dass sie nur in Fällen einer tatsächlich bestehenden Arbeitsunfähigkeit finanzielle Leistungen erbringen. Das Vortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit wird neuerdings durch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die über App „bestellt“ werden kann, erheblich erleichtert. Der „Patient“ erhält nach dem Werbeversprechen beim wohl größten Anbieter eine gültige Krankschreibung vom Tele – Arzt über eine App. Diese entspricht formal den Anforderungen, die das Gesetz und die Arbeitsunfähigkeit-Richtlinien stellen. Für den Arbeitgeber ist diese online-Krankschreibung – wenn überhaupt – durch den weit vom Arbeitsort liegenden Ort der Ausstellung der Bescheinigung erkennbar.
Die falsche Strategie:
Strategisch falsch geht ein Arbeitgeber vor, der eine derartige Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung per WhatsApp ohne weiteres akzeptiert und ohne weiteres Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall leistet. Der wohl größte Anbieter, der nach eigenen Angaben aus einem Verbund von Fachärzten besteht, ermöglicht die Ausstellung von maximal zwei Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen pro Quartal mit einer Dauer von maximal je fünf Tagen. Er wird mit „Wir haben schon über 18.000 Patienten geholfen – und es werden jeden Tag mehr“ geworben.
Die richtige Strategie:
Aufgrund der fehlenden körperlichen Untersuchung hat eine derartige Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung keinerlei Beweiswert. Der Arbeitnehmer muss – wenn der Arbeitgeber an der Arbeitsunfähigkeit zweifelt – sein krankheitsbedingtes Fehlen auf andere Weise, notfalls vor Gericht, beweisen. Arbeitgeber sollten gegen derartige Geschäftsmodelle vorgehen, da sie den Missbrauch von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erleichtern. Sie sollten bei Zweifeln bei Kurzerkrankungen die Entgeltfortzahlung verweigern und gleichzeitig die Krankenkasse von dem Vorfall in Kenntnis setzen, damit diese nicht in Vorleistung tritt.
Ausführlich zu „Digitalisierung: Das Ende des hohen Beweiswerts der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung?- Auswirkungen neuer telemedizinischer Möglichkeiten, Kleinebrink, ArbRB 2019, 147ff
Siehe auch:
Kleinebrink, Die neue Arbeitsunfähigkeitsbescheinig und ihre materielle Bedeutung, ArbRB 2016, 47-50

Kleinebrink, Die prozessuale Bedeutung der neuen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, ArbRB 2016, 93-96