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Tipp Nr. 76: Änderung einer Gesamtzusage als strategisches Mittel zur Verringerung der Personalkosten

Eine Gesamtzusage ist die an alle Arbeitnehmer des Betriebs oder einen nach abstrakten Merkmalen bestimmten Teil von ihnen in allgemeiner Form gerichtete ausdrückliche Erklärung des Arbeitgebers, bestimmte Leistungen erbringen zu wollen. Eine besondere Form, z.B. Schriftform, ist nicht erforderlich. Ausreichend ist, wenn die Erklärung des Arbeitgebers den einzelnen Arbeitnehmer typischerweise in die Lage versetzt, von der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Auf dessen konkrete Kenntnis kommt es nicht an. Eine ausdrückliche Annahme durch die begünstigten Arbeitnehmer bedarf es nicht. Das in der Zusage liegende Angebot ergänzender Inhalt des Arbeitsvertrags. Die Arbeitnehmer erwerben einen einzelvertraglichen Anspruch auf die zugesagten Leistungen, wenn sie die betreffenden Anspruchsvoraussetzungen erfüllen. In der Praxis kann es vorkommen, dass Arbeitgeber, insbesondere aus wirtschaftlichen Gründen, erwägen, die durch eine solche Gesamtzusage begründeten Ansprüche zu verringern oder ganz zu beseitigen.

Die falsche Strategie:

Strategisch falsch wäre es vom Arbeitgeber, die Gesamtzusage „zu widerrufen“. Eine solche Erklärung wäre rechtlich unbedeutend. Von der seitens der Arbeitnehmer angenommenen, vorbehaltlosen Zusage kann sich der Arbeitgeber individualrechtlich nur durch Änderungsvertrag oder wirksame Änderungskündigung lösen.

Die richtige Strategie:

Die richtige Strategie besteht für einen Arbeitgeber zunächst darin, diese Gesamtzusage für künftig neu in das Unternehmen eintretende Arbeitnehmer aufzuheben. Unterlässt er dies, wirkt diese Gesamtzusage regelmäßig auch zugunsten nachträglich in das Unternehmen kommender  Mitarbeiter Eine Gesamtzusage ist typischerweise nicht auf die im Zeitpunkt ihrer erstmaligen Erklärung beschäftigten Arbeitnehmer beschränkt (BAG v. 20.8.2014 – 10 AZR 453/13). Aus Beweisgründen sollte der Arbeitgeber in künftig abzuschließenden Arbeitsverträgen schriftlich regeln, dass ein Anspruch auf die namentlich zu bezeichnende Leistung aus der Gesamtzusage nicht besteht.

Mit Arbeitnehmern, die bereits Ansprüche aus der Gesamtzusage haben, kann ein Arbeitgeber  versuchen, eine einvernehmliche Aufhebung des durch sie begründeten Anspruchs zu vereinbaren. Hierzu werden Arbeitnehmer regelmäßig aber nur gegen Gewährung eines finanziellen Ausgleichs bereit sein. Eine nicht zu verbeitragende Abfindung scheidet allerdings aus, da es nicht zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommt. Die vom BAG erwähnte Möglichkeit einer Änderungskündigung (BAG v. 20.8.2014 – 10 AZR 453/13) ist in der Praxis wenig sinnvoll, da die Anforderungen an die soziale Rechtfertigung eine Änderungskündigung, die allein eine Entgeltreduzierung zum Ziel hat, außerordentlich hoch sind (vgl. BAG v. 10.9.2009 – 2 AZR 822/07) und für einen Arbeitgeber sogar die Gefahr besteht, mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich und Sozialplan (§§ . 111ff. BetrVG) verhandeln und eine Massenentlassungsanzeige erstatten zu müssen, wenn eine Vielzahl von Änderungskündigungen erforderlich sind (ausf. Kleinebrink, Die Änderungskündigung bei Betriebsänderungen wegen Personalabbaus, FA 2014, 69ff.).

Streng genommen begehen Arbeitgeber auf dem Hintergrund dieser Rechtsprechung regelmäßig schon mit einer Gesamtzusage einen strategischen Fehler. Ist im Betrieb ein Betriebsrat vorhanden, ist es sinnvoller, die zu gewährende Leistung zum Gegenstand einer freiwilligen Betriebsvereinbarung zu machen (§ 88 BetrVG). Eine solche freiwillige Betriebsvereinbarung kann der Arbeitgeber jederzeit unter Einhaltung der Kündigungsfrist kündigen, ohne dass hierfür ein Grund vorhanden sein muss. Mit Ablauf der Kündigungsfrist können keine Ansprüche aus einer solchen Betriebsvereinbarung mehr hergeleitet werden. Sie hat keine Nachwirkung, sofern dies nicht – wenig empfehlenswert – in ihr anders geregelt ist.