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Tipp Nr. 29: Strategien bei fehlendem Verfall von Urlaub

Nach bisheriger Rechtsprechung des EuGH und des BAG  verfällt der gesetzliche Urlaub bei lang andauernder Arbeitsunfähigkeit nicht. Dies ist besonders schwerwiegend, da von dem fehlenden Verfall eines Urlaubs bei lang andauernder Arbeitsunfähigkeit nach Auffassung des BAG auch der Mehrurlaub für schwerbehinderte Menschen nach § 125 Abs. 1 S. 1 SGB IX ebenso betroffen ist wie ein vertraglicher oder tarifvertraglicher Zusatzurlaub, sofern in der jeweiligen Regelung nicht deutlich zwischen dem gesetzlichen Urlaub und dem übergesetzlichen Urlaub unterschieden wird. In der Praxis kann es deshalb vorkommen, dass bei einem Arbeitnehmer, der sehr lange arbeitsunfähig ist, viele Urlaubsansprüche verschiedener Kalenderjahre addiert werden müssen. Entsprechende Rückstellungen sind von den Unternehmen zu bilden.

Der EuGH hat nun aber in einem Urteil vom 22.11.2011 – C – 214/10 entschieden, dass Urlaubsansprüche auch bei lang andauernder Arbeitsunfähigkeit aufgrund einzelstaatlicher Regelungen oder Gepflogenheiten begrenzt werden können. Als angemessene Grenze hat der EuGH 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres angesehen.

Die falsche Strategie:

Trotz dieser Entscheidung ist nicht empfehlenswert, bei einer langandauernden Arbeitsunfähigkeit generell von einem Verfall eines Urlaubs 15 Monate nach Ende des jeweiligen Urlaubsjahres auszugehen und entsprechende Rückstellungen aufzulösen. Die Entscheidung des EuGH ist in einem Vorlageverfahren des LAG Hamm und außerdem nur zu einer Vorschrift des EMTV Metall ergangen, die diese Verfallfrist bei langandauernder Arbeitsunfähigkeit beinhalt.

Die richtige Strategie

Stattdessen sollte zunächst festgestellt werden ob bei einem tarifvertraglichen oder vertraglichen Urlaubsanspruch, der den gesetzlichen Urlaubsanspruch übersteigt, deutlich zwischen dem gesetzlichen und dem übergesetzlichen Urlaub unterschieden wird. Ist dies der Fall, sollte angenommen werden, dass der übergesetzliche Urlaub – sofern keine andere Regelung besteht – nach § 7 Abs. 3 BurlG mit dem 31.3. des Folgejahres, der gesetzliche Urlaub am 31.3. des darauf folgenden Jahres verfällt. Ist keine Trennung möglich, sollte unterstellt werden, dass der gesamte Urlaub bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit am 31.3. des übernächsten Jahres verfällt. Hinsichtlich des demnach verfallenen Urlaubs sollten vorsorglich Rückstellungen gebildet werden.

In die Arbeitsverträge, die einen übergesetzlichen Urlaubsanspruch beinhalten,  sollte zukünftig bei fehlender Tarifbindung aufgenommen werden, dass der gesamte Urlaubsanspruch grundsätzlich drei Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres erlischt; sollte der Urlaub allerdings wegen einer langandauernder Arbeitsunfähigkeit nicht genommen werden können, hinsichtlich des gesetzlichen Teils des Urlaubs ein Verfall erst 12 Monate nach Ablauf des vorgenannten Zeitraums erfolgt.

 

Ausführlich zu weiteren Strategien in diesem Zusammenhang:

Kleinebrink, Strategien bei fehlendem Verfall von Urlaubsansprüchen, DB 2011, 2843-2847