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Tipp Nr. 103: Der richtige Umgang mit der Dienstreise als Arbeitszeit im Sinne des Arbeitsschutzes

In der betrieblichen Praxis ist der richtige rechtliche Umgang mit der Zeit, die ein Arbeitnehmer für eine Dienstreise aufwendet, von erheblicher Bedeutung. Verkennt ein Arbeitgeber bei einer solchen Dienstreise den Begriff der Arbeitszeit, kann dies für ihn erhebliche rechtliche Auswirkungen haben, dies es unter materiellen und immateriellen Gesichtspunkten zu vermeiden gilt.

Handelt es sich entgegen der Beurteilung des Arbeitgebers um Arbeitszeit iSd. § 2 Abs. 1 ArbZG, kann dies zur Überschreitung der nach § 3 ArbZG höchstzulässigen Arbeitszeit von acht bzw. zehn Stunden führen. Der Arbeitgeber verwirklicht dadurch ggf. den Bußgeldtatbestand des § 22 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG. Möglicherweise hält der Arbeitgeber dann auch nicht die Ruhezeit von elf Stunden nach § 5 ArbZG ein, wodurch der ordnungsliebende Tatbestand des § 22 Abs. 1 Nr. 2 ArbZG verwirklicht wird. Geldbußen in Höhe von bis zu 15.000 Euro können dann nach § 22 Abs. 2 ArbZG die Folge sein. Ist dem Arbeitgeber Fahrlässigkeit nachzuweisen und gefährdet er durch die Überschreitung der höchstzulässigen Arbeitszeit infolge der Fehlbeurteilung die Gesundheit oder die Arbeitskraft eines Arbeitnehmers, kann mit § 23 Abs. 2 ArbZG sogar ein Straftatbestand verwirklicht sein, der eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder eine Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen vorsieht. Daneben wird der Ruf des Unternehmens beschädigt, wird bekannt wird, dass entsprechende Untersuchungen laufen.

Die falsche Strategie:

Falsch ist es,  generell anzunehmen, dass sich bei einer Zeit, die ein Arbeitnehmer für eine Dienstreise aufwendt, nicht um Arbeitszeit handelt. Bei bestimmten Fallkonstellationen kann sich nämlich um Arbeitszeit handeln. Ebenso ist es strategisch falsch, regelmäßig davon auszugehen, dass es sich bei der Reisezeit um Arbeitszeit handelt. Der Arbeitgeber schöpft  dann die nach § 3 ArbZG höchstzulässige Arbeitszeit nicht aus und gewährt die Ruhezeit nach § 5 ArbZG, obwohl die Voraussetzungen hierfür – noch – nicht vorliegen.

Die richtige Strategie:

Der Arbeitgeber muss vielmehr strategisch verschiedene Gruppen unterscheiden:

Steuert ein Arbeitnehmer einen Wagen und erfüllt er damit eine Hauptleistungspflicht, wie dies z.B. bei Lkw Fahrern, Busfahrern oder Taxifahrern der Fall ist, handelt sich hierbei nicht um Reisezeit, sondern um Arbeitszeit im Sinne des ArbZG.

Kann ein Arbeitnehmer mangels festen Arbeitsorts seine vertraglich geschuldete Tätigkeit ohne dauernde Reisetätigkeit gar nicht erfüllen, stellt eine derartige Reisetätigkeit aufgrund ihrer ausschließlichen Fremdnützigkeit ebenfalls einen Bestandteil der Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers und damit Arbeit dar.

Erfüllt ein Arbeitnehmer aufgrund einer entsprechenden Weisung seines Arbeitgebers nach § 106 Satz 1 GewO während einer Dienstreise, die für sich genommen keine Arbeitszeit darstellt, seine Arbeitsleistung, liegt ebenfalls Arbeitszeit im Sinne des ArbZG vor.

Führtder Arbeitnehmer einen PKW, ist darin allein keine Arbeitszeit zu sehen. Sie liegt nur vor, wenn dies auf Veranlassung des Arbeitgebers geschieht (HWK/Gäntgen, 4. Aufl., § 2 ArbZG Rz. 7; Gaul/Boewer, Aktuelles Arbeitsrecht, Bd. 1/2006, 113, Baeck/Lösler, NZA 2005, 249; Heins/Leder NZA 2007, 249 (250); Hunold Beilage 1/2006 S. 38 (40); vgl. auch BAG v. 14.11.2006 – 1 ABR 5/06).

 

Ausf. zur vergütungsrechtlichen Seite: Kleinebrink, Die Vergütung von Zeiten einer Dienstreise, DB 2016, 2114-2118