Tipp Nr. 140: Vermeidung einer betrieblichen Übung bei Erhöhung übertariflicher Zulagen

Tipp Nr. 140: Vermeidung einer betrieblichen Übung bei Erhöhung übertariflicher Zulagen

Arbeitgeber haben das betriebswirtschaftliche Ziel, u.a. finanzielle Leistungen an Arbeitnehmer möglichst flexibel zu gestalten, um insbesondere in Krisenzeiten kurzfristig Personalkosten senken zu können.

Ist ein Arbeitgeber an einen Tarifvertrag gebunden, muss er zwischen den Tarifvertragsparteien vereinbarte Entgelterhöhungen an tarifgebundene Arbeitnehmer weitergeben. Hierbei ist es unerheblich, ob die Tarifbindung beim Arbeitnehmer originär durch eine Mitgliedschaft in der entsprechenden Gewerkschaft, aufgrund einer Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrages oder durch vertragliche Inbezugnahme des entsprechenden Tarifvertrages in den Arbeitsverträgen der Arbeitnehmer erfolgt.

Manchmal erhöhen Arbeitgeber freiwillig oder in Unkenntnis der rechtlichen Auswirkungen einer Tariflohnerhöhung nicht nur das Tarifentgelt entsprechend der Tarifvereinbarung, sondern auch die Arbeitnehmern zustehenden freiwilligen übertariflichen Zulagen.

Beispiel:

Ein Arbeitnehmer erhält einen tariflichen Stundenlohn in Höhe von 15 € und zusätzlich eine freiwillige übertarifliche Zulage in Höhe von 5 €. Sein effektiver Stundenlohn beträgt damit 20 €. Die Tarifvertragsparteien vereinbaren eine tarifliche Entgelterhöhung in Höhe von 2 %. Damit erhöht sich für den Arbeitnehmer der tarifliche Stundenlohn auf 15,30 €. Die übertarifliche Zulage in Höhe von 5 € bleibt bestehen, sofern der Arbeitgeber keine Anrechnung der tariflichen Entgelterhöhung auf diese übertarifliche Zulage vornimmt. Erhöht der Arbeitgeber nun freiwillig oder in Unkenntnis auch die freiwillige übertarifliche Zulage um 2 %, steigt diese auf 5,10 € und der effektive Stundenlohn auf 20,40 €.

Die falsche Strategie:

Strategisch falsch wäre, wenn der Arbeitgeber eine derartige Erhöhung der überbetrieblichen Zulage um die prozentuale Tariflohnerhöhung ohne Einschränkungen vornimmt. Beschränkt der Arbeitgeber tarifliche Entgelterhöhungen nicht auf den Arbeitsverdienst, den er durch die Tarifbindung des Arbeitnehmers oder durch arbeitsvertragliche Inbezugnahme eines Tarifvertrags zu zahlen verpflichtet ist, sondern erhöht er zugleich den zusätzlich gewährten übertariflichen Entgeltbestandteil in gleicher Weise wie den tariflichen, kommt eine betriebliche Übung zustande, sofern der Arbeitgeber dies mehrmals ohne Vorbehalt macht (BAG v. v. 19.9.2018 – 5 AZR 439/17). Der Arbeitgeber wird dann verpflichtet, auch zukünftig tarifliche Entgelterhöhungen auf freiwillige übertarifliche Zulagen zu erstrecken, da ein solcher Anspruch des Arbeitnehmers durch die betriebliche Übung Vertragsbestandteil geworden ist.

Die richtige Strategie:

Dringend zu empfehlen ist einem Arbeitgeber, der eine derartige freiwillige Erstreckung der tariflichen Entgelterhöhung auf freiwillig gezahlte übertarifliche Zulagen vornehmen will, dem Arbeitnehmer einen Freiwilligkeitsvorbehalt nachweisbar zumindest in Textform auszuhändigen.

Musterformulierung:

„Aufgrund des Tarifabschlusses vom… haben wir nicht nur – wozu wir verpflichtet sind – das Ihnen gezahlte Tarifentgelt in Höhe von… Prozent erhöht.

Wir haben diese prozentuale Erhöhung auch auf die Ihnen gewährte freiwillige übertarifliche Zulage erstreckt. Wir weisen Sie darauf hin, dass es sich hierbei um eine freiwillige Leistung handelt. Ein Anspruch, künftige tarifliche Entgelterhöhungen ebenfalls auf die Ihnen gezahlte freiwillige übertarifliche Zulage zu erstrecken, ergibt sich hieraus nicht.“

Tipp Nr.139: Die richtige Berechnung der Überlastungsgrenze bei der Brückenteilzeit

Tipp Nr. 139: Die richtige Berechnung der Überlastungsgrenze bei der Brückenteilzeit

Zum 1.Januar 2019 ist mit § 9a TzBfG für Arbeitnehmer die Möglichkeit geschaffen worden, eine zeitlich begrenzte Verringerung der Arbeitszeit, die sogenannte Brückenteilzeit, zu beantragen. § 9a Abs. 2 Satz 3 TzBfG sieht insoweit zugunsten von Arbeitgebern eine Überlastungsgrenze vor. Ein Arbeitgeber, der in der Regel mehr als 45, aber nicht mehr als 200 Arbeitnehmer beschäftigt, kann das Verlangen eines Arbeitnehmers neben anderen im Gesetz genannten Gründen auch dann ablehnen, wenn zum Zeitpunkt des begehrten Beginns der verringerten Arbeitszeit bei einer Arbeitnehmerzahl von in der Regel mehr als 45 bis 60 bereits mindestens 4, mehr als 60 bis75 bereits mindestens 5, mehr als 75 bis 90 bereits mindestens 6, mehr als 90 bis 105 bereits mindestens 7 andere Arbeitnehmer usw. ihre Arbeitszeit nach § 9a Abs. 1 TzBfG verringert haben. Wichtig für Arbeitgeber ist, diese Überlastungsgrenze richtig zu berechnen. Überschreitet die Zahl der Arbeitnehmer, die Brückenteilzeit nach § 9a Abs. 1 TzBfG in Anspruch nehmen, die Überlastungsgrenze nicht, greift zugunsten des Arbeitgebers dieser Ablehnungsgrund nicht ein.

Die falsche Strategie:

Falsch wäre es, bei der Berechnung der Überlastungsgrenze Personen in Berufsbildung zu berücksichtigen. Ebenso fehlerhaft wäre es, Arbeitnehmer, die sich aus anderen Gründen in Teilzeit befinden, bei der Zahl der Arbeitnehmer, die bereits in Teilzeit arbeiten, mitzuzählen.

Die richtige Strategie:

Bei der Anzahl der Arbeitnehmer, die bei der Ermittlung der Überlastungsgrenze von Bedeutung sind, sind nach § 9a Abs. 7 TzBfG Personen in der Berufsbildung nicht zu berücksichtigen. Außerdem kann sich ein Arbeitgeber bei der Bestimmung dieser Grenze und der Zahl der Arbeitnehmer, die bereits in Teilzeit arbeiten, nur auf solche Teilzeitarbeitsverhältnisse berufen, die eine zeitlich begrenzte Verringerung der Arbeitszeit, d. h. ebenfalls eine Brückenteilzeit, vorsehen. Das Gesetz spricht in § 9a Abs. 2 ausdrücklich von Arbeitnehmern, die ihre Arbeitszeit „nach Abs. 1 verringert haben“. Die sind aber nur die Arbeitnehmer die Brückenteilzeit beantragt haben. Folglich zählen Mitarbeiter, die sich insbesondere in unbefristeter Teilzeit nach § 8 TzBfG, in einer Teilzeit während einer Elternzeit, in Altersteilzeit oder in einer Teilzeit für schwerbehinderte Menschen befinden nicht mit. Die Überlastungsgrenze schützt damit Arbeitgeber insbesondere in Zeiten des Fachkräftemangels nicht wirksam.

Tipp Nr. 138: Strategie zur Erfüllung der Hinweispflicht zum Verfall eines Urlaubs

Tipp Nr. 138: Strategie zur Erfüllung der Hinweispflicht zum Verfall eines Urlaubs

Arbeitgeber sind betriebswirtschaftlich daran interessiert, dass Arbeitnehmer möglichst wenig bezahlte Arbeitstage ohne Arbeitsleistung aufweisen. Von daher ist für sie von Interesse, dass Urlaubsansprüche von Arbeitnehmern verfallen, wenn sie nicht rechtzeitig geltend gemacht werden. Der gesetzliche Mindesturlaub muss nach § 7 Abs. 3 Satz 1 BurlG im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Dies sieht § 7 Abs. 3 Satz 2 BurlG vor.

Die falsche Strategie:

Droht bei einem Arbeitnehmer der Verfall des gesetzlichen Mindesturlaubs oder eines Teils dieses gesetzlichen Mindesturlaubs, ist es strategisch falsch, wenn der Arbeitgeber nichts unternimmt. In einem solchen Fall kann der Arbeitnehmer Schadensersatz geltend machen. Dieser besteht darin, dass der Urlaubsanspruch insoweit nicht verfällt.

Die richtige Strategie:

Nach einer Entscheidung des EuGH vom 6.11.2018 – C-684/16 – verfällt ein gesetzlicher Resturlaub nicht, wenn ein Arbeitgeber nicht konkret und nachweisbar dafür sorgt, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, den ihm zustehenden gesetzlichen Mindesturlaub zu nehmen. Der Arbeitgeber hat demnach einen solchen Arbeitnehmer erforderlichenfalls förmlich aufzufordern, seinen Resturlaub zu beantragen. Ferner ist dem Arbeitnehmer klar und rechtzeitig mitzuteilen, dass der Urlaub des Arbeitnehmers, wenn er ihn nicht nimmt, am Ende des Bezugszeitraums – oder eines zulässigen Übertragungszeitraums – verfallen wird.

 

Musterformulierung:

Sehr geehrter Herr/Sehr geehrte Frau …,

Am heutigen Tag, den 1. Dezember 2019, stehen Ihnen noch 5 Tage Ihres gesetzlichen Mindesturlaubs aus dem Jahr 2019 zu. Wir fordern Sie hiermit auf, diesen Resturlaub unverzüglich zu beantragen und diesen bis zum 31.12.2019 zu nehmen. Sollte dies nicht oder nicht rechtzeitig geschehen, wird der Resturlaub zum 31.12.2019 ersatzlos verfallen.

Tipp Nr. 137: #metoo: Die richtige Vorgehensweise bei dem Verdacht einer sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz

Tipp Nr. 137: #metoo: Die richtige Vorgehensweise bei dem Verdacht einer sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz

Arbeitgeber haben ein großes betriebswirtschaftliches Interesse, bei einer behaupteten sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz richtig zu reagieren. Erschwert wird das richtige Handeln des Arbeitgebers durch dessen Konfliktlage. Ihn treffen besondere Schutz- und Fürsorgepflichten für die belästigte Person aus § 12 AGG und vertraglichen Schutz- und Fürsorgepflichten aus dem Arbeitsverhältnis nach § 241 Abs. 2 BGB gegenüber der beschuldigten Person.

Die falsche Strategie:

Strategisch falsch wäre es, bei derartigen Vorwürfen nichts zu unternehmen oder ihnen nicht systematisch nachzugehen. Waren die vom Arbeitgeber ergriffenen Maßnahmen nicht ausreichend, um weitere sexuelle Belästigungen zu unterbinden, kann der Arbeitgeber nach § 15 Abs. 1 und 2 AGG von der belästigten Person auf Schadensersatz und Entschädigung in Anspruch genommen werden. Weitaus schwerer als der finanzielle Schaden wiegt bei einer derartigen fehlerhaften Vorgehensweise der immaterielle Schaden einer Rufschädigung für das Unternehmen. Beachtet der Arbeitgeber hingegen das Persönlichkeitsrecht der beschuldigten Person nicht, läuft er Gefahr, schadensersatzpflichtig zu werden, wenn er z. B. den Kreis der in die Ermittlung einbezogenen Personen zu groß zieht oder die Öffentlichkeit informiert.

Die richtige Strategie:

Es bietet sich folgende systematische Vorgehensweise an (ausf. Krieger/Deckers, NZA 2018, 1161ff):

Präventivmaßnahmen:

– Vorhalten einer Beschwerdestelle im Sinne des AGG,

– Bekanntmachung der Beschwerdestelle,

– Erstellen von Guidelines, in denen aufgeführt wird, welches Verhalten nicht toleriert wird und welche Folgen bei Verstößen drohen

– Schulungen von Führungskräften im richtigen Umgang mit Verdachtsmomenten

Vorgehen bei Verdachtsmomenten:

– Ermittlung des Sachverhalts

Ermittlung, ob eine sexuelle Belästigung stattgefunden hat,

Ermittlung, welche Umstände ursächlich dafür waren, dass es zu einer sexuellen Belästigung gekommen ist,

Prüfung, wie die Schwere des Vorfalls einzuordnen ist,

im Rahmen der Ermittlung wörtliche Protokollierung der geführten Gespräche

auf Seiten des Arbeitgebers bei den Gesprächen zwei Personen,

kleiner Kreis der in die Ermittlung einbezogenen Personen,

zügige Durchführung der Ermittlung, insbesondere im Hinblick auf mögliche Ausschlussfristen,

bei komplizierten Sachverhalten Einschaltung juristischer Berater.

Auswahl der richtigen Maßnahme

Geeignetheit der Maßnahme, um zukünftige Belästigungen auszuschließen,

Abhängigkeit der Geeignetheit von den Umständen, die zur sexuellen Belästigung geführt haben,

Erforderlichkeit, d.h. Auswahl der für den Betroffenen am wenigsten belastenden Maßnahme bei mehreren gleich geeigneten Maßnahmen,

Angemessenheit, d.h. Sanktion nicht außer Verhältnis zur Tat

Umsetzung der Maßnahme, insbesondere

Umsetzung bzw. Versetzung,

Abmahnung,

fristgerechte oder fristlose Kündigung

 

Tipp Nr. 136: Der richtige Umgang mit der Vergütung von Reisezeiten

Tipp Nr. 136 Der richtige Umgang mit der Vergütung von Reisezeiten
Arbeitgeber haben ein betriebswirtschaftliches Interesse, nur solche Zeiten zu vergüten, in denen tatsächlich eine Arbeitsleistung erbracht wird. Für sie ist deshalb u.a. von Interesse, ob sie die Reisezeiten vergüten müssen.
Die falsche Strategie:
Strategisch falsch ist es, derartige Zeiten generell und in jeder von Arbeitnehmer beanspruchten Höhe zu bezahlen. In der Praxis wird häufig nicht ausreichend zwischen der Arbeitszeit im arbeitszeitrechtlichen Sinne (Arbeitsschutzrecht), der Arbeitszeit im individualrechtlichen Sinn (Vertragsrecht) und der Arbeitszeit im mitbestimmungsrechtlichen Sinn unterschieden.
Die richtige Strategie:
Bei der Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinne gibt es nach dem ArbZG nur „schwarz oder weiß“. Entweder liegt Arbeitszeit oder Ruhezeit vor. Eine Zwischenform gibt es nicht. Dies unterscheidet die Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinne von der Arbeitszeit im vertragsrechtlichen Sinn. Dort kann die Dienstreise neben Arbeitszeit und Freizeit auch eine Sonderform der Arbeitszeit darstellen. Insoweit darf der Arbeitgeber auch eine gesonderte Vergütungsregelung treffen, sofern ein Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung nicht bereits entsprechende Regelungen enthalten. Zwei jüngere Entscheidungen des BAG verdeutlichen dies.
Hat ein Arbeitnehmer seine Tätigkeit außerhalb des Betriebs zu erbringen, wie dies z.B. bei Montagestammarbeitern der Fall ist, gehört das Fahren zur auswärtigen Arbeitsstelle zwar zu den vertraglichen Hauptleistungspflichten. Durch Arbeits- oder Tarifvertrag kann jedoch eine gesonderte Vergütungsregelung für eine andere als die eigentlich Tätigkeit und damit auch für entsprechende Fahrzeiten getroffen werden (BAG v. 25.4.2018 – 5 AZR 424/17).
Entsprechendes wird man auch für die Zeiten einer Hin- und Rückreise annehmen können, wenn ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer vorübergehend zur Arbeit ins Ausland entsendet. In einem Urteil vom 17.
10.2018 – 5 AZR 553/17 –, dass bisher erst als Pressemitteilung vorliegt, weist das BAG zwar darauf hin, dass derartige Zeiten in der Regel wie Arbeit zu vergüten seien. Da es sich hier aber ebenfalls bei der Reisezeit um eine Sonderform der Arbeitszeit handelt, wird man auch insoweit annehmen können, dass durch Arbeitsvertrag eine pauschale Vergütungsregelung möglich ist, sofern dem ein Tarifvertrag nicht entgegensteht.
In der Praxis sollten Personalverantwortliche deshalb prüfen, inwiefern entsprechende Regelungen gerade in Zeiten größerer Mobilität vertraglich möglich und sinnvoll sind.