Tipp Nr.130: Der richtige Umgang mit einem Antrag auf Verlängerung der Arbeitszeit

Tipp Nr. 130: Der richtige Umgang mit einem Antrag auf Verlängerung der Arbeitszeit
Die Bundesregierung beabsichtigt, u.a. das Teilzeitrecht zu ändern (ausf. hierzu Kleinebrink, DB 2018, 1147) Verschärft werden soll aus Sicht von Arbeitgebern auch die bisherige Regelung des § 9 TzBfG. Entscheidungen zu dieser Vorschrift sind deshalb von besonderem Interesse, wenn sie allgemeine Grundsätze aufstellen, die von eventuellen Neuregelungen nicht betroffen sind und Handlungsspielräume eröffnen.
Nach dem bisherigen § 9 TzBfG hat der Arbeitgeber einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, der ihm den Wunsch nach einer Verlängerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit angezeigt hat, bei der Besetzung eines entsprechenden freien Arbeitsplatzes bei gleicher Eignung bevorzugt zu berücksichtigen, es sei denn, dass dringende betriebliche Gründe oder Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer entgegenstehen.
Die falsche Strategie:
Beantragt ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber eine Verlängerung seiner Arbeitszeit, wäre es strategisch falsch, wenn der Arbeitgeber ihm sofort ein entsprechendes Angebot unterbreitet, sofern ein freier Arbeitsplatz vorhanden ist.
Die richtige Strategie:
Nach einem Urteil des BAG vom 27.2.2018 – 9 AZR 167/17 verpflichtet den Arbeitgeber ein ihm angezeigter Verlängerungswunsch nicht schon dazu, dem Arbeitnehmer bei der Besetzung eines freien Arbeitsplatzes einen Antrag iSv. § 145 BGB auf Abschluss eines Arbeitsvertrags mit erhöhter Arbeitszeit zu unterbreiten. Vielmehr löst die Anzeige des Arbeitnehmers lediglich die in § 7 Abs. 2 TzBfG bestimmte Pflicht des Arbeitgebers aus, den Arbeitnehmer über die zu besetzenden Arbeitsplätze zu informieren. Es ergibt sich hieraus folgende Abfolge:

– Der in Teilzeit beschäftigte Arbeitnehmer äußert gegenüber seinem Arbeitgeber den Wunsch, seine bisher geschuldete Arbeitszeit zu verlängern (Wunsch der Änderung seines Arbeitsvertrages),
– sodann hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über zu besetzende Arbeitsplätze zu informieren,
– die Information bezieht sich auf das auf dem Arbeitsplatz geschuldete Arbeitszeitvolumen, den Zeitpunkt, ab dem die Besetzung erfolgen soll, und wohl auch auf die sonstigen Vertragsbedingungen, die sich im Vergleich zum bisherigen Vertrag ändern würden,
– es ist sodann der Entscheidung des Arbeitnehmers überlassen, ob er seine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit zu dem vom Arbeitgeber vorgesehenen Termin und im entsprechenden Umfang erhöhen will,
– möchte der Arbeitnehmer den Arbeitsplatz haben und damit seinen Arbeitsvertrag ändern, so hat er ein hierauf bezogenes Vertragsangebot an den Arbeitgeber zu richten, dessen Zugang der Arbeitgeber abwarten kann,
– das Vertragsangebot hat hierbei den Anforderungen des § 145 BGB zu genügen; es muss deshalb so formuliert sein, dass der vom Arbeitnehmer gewünschte Änderungsvertrag durch die bloße Zustimmung des Arbeitgebers zustande kommt. Es muss daher den Arbeitsplatz, das gewünschte Arbeitszeitvolumen, den Zeitpunkt der Verlängerung der Arbeitszeit sowie wohl auch die sonstigen Vertragsbedingungen enthalten, die sich im Vergleich zum bisherigen Vertrag ändern..

Erfüllt der Arbeitnehmer diese Anforderungen nicht, macht sich der Arbeitgeber nicht schadensersatzpflichtig, wenn er den Arbeitnehmer bei der Besetzung des freien Arbeitsplatzes nicht berücksichtigt.

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Prof. Dr. Wolfgang Kleinebrink

Tipp Nr. 129: Strategische Gestaltung des Inhalts der Abmahnung – Darstellung der Warnfunktion

Tipp Nr. 129: Strategische Gestaltung des Inhalts der Abmahnung – Darstellung der Warnfunktion

Eine Abmahnung erfüllt mehrere Zwecke. Sie dient dem Arbeitgeber dazu, den Arbeitnehmer auf eine Pflichtverletzung hinzuweisen (Dokumentationsfunktion, siehe Tipp Nr. 88). Außerdem verbindet der Arbeitgeber damit die Aufforderung, ein derartiges wichtiges Verhalten künftig zu unterlassen (Rügefunktion). Schließlich ist die Abmahnung dazu bestimmt, bestimmte individualrechtliche Konsequenzen für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung anzudrohen (Warnfunktion). Beachtet ein Arbeitgeber die insoweit von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze nicht, besteht die Gefahr dass die Abmahnung unwirksam ist und nicht mehr notwendige Voraussetzung einer späteren Kündigung sein kann.

 

Die falsche Strategie:

Besonders vorsichtig muss der Arbeitgeber sein, wenn er individualrechtliche Konsequenzen androhen und damit die Warnfunktion der Abmahnung erfüllen will. Strategisch falsch wäre es nach Ansicht des ArbG Bochum (Urt. V. 19.10.2017 – 4 Ca 930/17), wenn in der Abmahnung eine Kündigung für jeden weiteren Pflichtverstoß angedroht wird. Nach Ansicht des BAG muss sich eine der Kündigung vorangegangene Abmahnung auf gleichartige Pflichtverletzung oder die gleiche Pflichtverletzung beziehen. Die jeweiligen Pflichtwidrigkeiten müssen aus demselben Bereich stammen; Abmahnung und Kündigungsgründe müssen in einem inneren Zusammenhang stehen (BAG v. 13.12.2007 – 2 AZR 818/06; ausf. Kleinebrink, Abmahnung, 3. Aufl., S. 120f.). Erweckt die Abmahnung den Eindruck, dass auch bei nur geringfügigen und gänzlich anders gelagerten Pflichtwidrigkeiten mit einer Kündigung gerechnet werden muss, verfehlt sie nach Ansicht des Gerichts ihre Warnfunktion gegenüber dem Arbeitnehmer. Sie ist unwirksam.

 

Die richtige Strategie:

Der Arbeitgeber sollte deshalb eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur für den Fall androhen, dass der Arbeitnehmer eine solche Pflichtverletzung, wie sie in der Abmahnung beanstandet wird, wiederholt oder eine gleichartige Pflichtverletzung begeht.

 

Musterformulierung:

„Sollten Sie eine derartige Pflichtverletzung wiederholen oder sollten Sie eine andere gleichartige Pflichtverletzung begehen, sehen wir uns leider gezwungen, ihr Arbeitsverhältnis zu beenden.“

 

Der Arbeitgeber sollte ferner nicht eine bestimmte Art einer Kündigung (z.B. fristlose oder fristgerechte Kündigung oder Änderungskündigung) androhen. Nach einer älteren Rechtsprechung des BAG aus dem Jahr 1961 kann einem Arbeitgeber zwar auch dann fristgerecht kündigen, wenn er in der Abmahnung eine fristlose Kündigung angedroht hat. Ob das BAG hieran heute noch festhalten würde, ist allerdings zweifelhaft. Ebenso sollte nicht nur mit „Konsequenzen arbeitsrechtlicher Art“ in der Abmahnung gedroht werden, obwohl dies in der Vergangenheit vom BAG vereinzelt nicht beanstandet wurde. Nicht auszuschließen ist, dass auch eine solche Warnung als verfehlt angesehen wird, wenn der Arbeitnehmer später lediglich eine fristgerechte Kündigung erhält.

 

Siehe auch Kleinebrink, Abmahnung – Leitfaden für die Praxis 3. Aufl., 2017

Tipp Nr.128: Der richtige Umgang mit freien Arbeitsplätzen bei betriebsbedingten Kündigungen

Tipp Nr. 128: Der richtige Umgang mit freien Arbeitsplätzen bei betriebsbedingten Kündigungen

Entfallen Arbeitsplätze kann es geschehen, dass eine geringere Anzahl freier Arbeitsplätze vorhanden ist. Der Arbeitgeber steht dann vor der Frage, welchen vom Arbeitsplatzverlust bedrohten Arbeitnehmern er diese freien Arbeitsplätze anbieten muss.

Die falsche Strategie:

Strategisch falsch wäre es, wenn der Arbeitgeber zunächst alle Arbeitnehmer informiert, deren Arbeitsplatz entfällt, dass frei Stellen vorhanden sind und diese bittet, anzuzeigen, ob eine Bereitschaft zum Antritt der Stelle besteht. Dann würde der Arbeitgeber bei positiven Rückmeldungen die Arbeitnehmer auswählen, denen die freien Stellen anzubieten sind. Nur die verbliebenen Arbeitnehmer erhielten eine Beendigungskündigung. Diese Vorgehensweise ist weder effektiv noch rechtssicher. Gut beratene Arbeitnehmer könnten Interesse signalisieren, um schließlich doch eine Änderungskündigung zu verlangen. Lehnt ein Arbeitnehmer die angebotene Stelle ab oder äußert er sich nicht, ist eine Beendigungskündigung dennoch riskant. Der Arbeitnehmer könnte nämlich in einem Rechtsstreit einwenden, die hohen Anforderungen die den Vorrang der Beendigungskündigung vor einer Änderungskündigung begründen, lägen nicht vor.

Die richtige Strategie:

Den richtigen Weg zeigt nun eine Entscheidung des BAG vom 27.07.2017 – 2 AZR 476/16 auf.

Demnach muss der Arbeitgeber unter den Arbeitnehmern, deren Arbeitsplatz entfällt, eine Sozialauswahl i. S. d. § 1 Abs. 3 KSchG durchführen. Hat er sodann auf diese Weise die Arbeitnehmer ermittelt, die er für die freien Arbeitsplätze berücksichtigen muss, sollte er diesen gegenüber Änderungskündigungen aussprechen. Diejenigen Arbeitnehmer, die bei der Sozialauswahl unberücksichtigt geblieben sind, erhalten eine Beendigungskündigung. Auf diese Weise vermeidet der Arbeitgeber zeitliche Verzögerungen und wählt außerdem einen rechtssicheren Weg.

Lehnen vorrangig berücksichtigte Arbeitnehmer dann den angebotenen Arbeitsplatz ab, ist allerdings fraglich, ob der Arbeitgeber sodann diese den bisher nicht berücksichtigten Arbeitnehmern anbieten muss, da es eigentlich Sache eines Arbeitnehmers ist, einen Wiedereinstellungsanspruch geltend zu machen.

In der Literatur wird empfohlen, die verbliebenen Arbeitnehmer proaktiv auf die neue Beschäftigungsmöglichkeit hinzuweisen und ihnen eine Frist zur Erklärung zu setzen, ob eine Wiedereinstellung verlangt wird. Unter den Interessierten ist dann, sofern erforderlich, wiederum eine Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG vorzunehmen (zum Ganzen ausführlich und instruktiv Lunk/Seidler, NZA 2018, 201 ff.).

Tipp Nr. 127: Übernahme der Auskunftspflichten nach dem Entgelttransparenzgesetz

Tipp Nr. 127: Übernahme der Auskunftspflichten nach dem Entgelttransparenzgesetz

Zur Überprüfung der Einhaltung des Entgeltgleichheitsgebots im Sinne des EntgTranspG haben Beschäftigte neuerdings nach § 12 EntgTranspG einen Auskunftsanspruch nach Maßgabe der §§ 11 bis 16 EntgTranspG. Dazu haben die Beschäftigten in zumutbarer Weise eine gleiche oder gleichwertige Tätigkeit (Vergleichstätigkeit) zu benennen. Sie können Auskunft zu dem durchschnittlichen monatlichen Bruttoentgelt nach § 5 Absatz 1 und zu bis zu zwei einzelnen Entgeltbestandteilen verlangen.

Die falsche Strategie:

Strategisch falsch handelt ein Arbeitgeber, wenn er sich für die Auskunftserteilung nicht zuständig erklärt. Beschäftigte tarifgebundener und tarifanwendender Arbeitgeber wenden sich für ihr Auskunftsverlangen nach § 14 Abs. 1 Satz 1 EntgTranspG an den Betriebsrat. Dieser hat dann die Auskunft zu erteilen. Beschäftigte nicht tarifgebundener und nicht tarifanwendender Arbeitgeber wenden sich für ihr Auskunftsverlangen zwar nach § 15 Abs. 1 EntgTranspG an den Arbeitgeber. Diese Regelung darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass dennoch dieselbe Rechtslage wie bei tarifgebundenen und tarifanwendenden Arbeitgeber für die Auskunftserteilung gilt. § 15 Abs. 2 EntgTranspG bestimmt nämlich, dass auch für diese Arbeitgeber nach § 15 Abs. 2 EntgTranspG eine originäre Zuständigkeit des Betriebsrats für die Auskunftserteilung besteht, wenn ein solcher im Betrieb vorhanden ist, da diese Vorschrift § 14 Abs. 1 und 2 EntgTranspG in diesem Fall für entsprechend anwendbar erklärt. Die Zuständigkeit des Betriebsrats für die Auskunftserteilung hat u.a. zur Folge, dass der Arbeitgeber die Entgeltlisten umfangreich aufbereiten muss, damit der Betriebsausschuss sich die notwendigen Informationen für die Auskunft besorgen kann.

Die richtige Strategie:

Strategisch richtig ist, wenn der Arbeitgeber die Pflicht zur Auskunft übernimmt. Dadurch erhält er nicht nur die Kontrolle über die Auskunft, sondern erspart sich auch die Aufbereitung der Entgeltlisten.

Ein tarifgebundener und tarifanwendender Arbeitgeber wird zuständig für die Auskunftserteilung, wenn er nach § 14 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG erklärt, die Erfüllung der Auskunftsverpflichtung generell oder in bestimmten Fällen übernehmen zu wollen. Dies muss er dann aber zuvor gegenüber dem Betriebsrat erläutert haben. Macht er von dieser Möglichkeit Gebrauch, hat er den Betriebsrat lediglich nach § 14 Abs. 1 Satz 3 EntgTranspG umfassend und rechtzeitig über eingehende Auskunftsverlangen sowie über seine Antwort zu informieren. Außerdem sind auch die Beschäftigten nach § 14 Abs. 2 Satz 4 EntgTranspG jeweils darüber zu informieren, wer die Auskunft erteilt. Entsprechendes gilt für nicht tarifgebundene und nicht tarifanwendende Arbeitgeber.

Der Arbeitgeber kann die Auskunftsberechtigung einseitig an sich ziehen. Empfehlenswert ist aber eine freiwillige Betriebsvereinbarung. in der das Zusammenspiel der Betriebspartner hinsichtlich der Auskunftsverpflichtung verbindlich geregelt ist. Eine solche Betriebsvereinbarung ist nach § 77 Abs. 2 Satz 3 BetrVG an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen. Hiermit erfüllt der Arbeitgeber zugleich die ihm nach § 14 Abs. 2 Satz 4 EntgTranspG bei tarifgebundenen und tarifanwendenden Arbeitgebern und nach § 15 Abs. 2 EntgTranspG iVm § 14 Abs. 2 Satz 4 EntgTranspG obliegende Verpflichtung, die Beschäftigten darüber zu informieren, wer die Auskunft erteilt. Außerdem sollte die Betriebsvereinbarung beinhalten, aus welchen Gründen der Arbeitgeber die Auskunftspflicht übernimmt, um auf diese Weise zu dokumentieren, dass er die entsprechenden Gründe vor der Übernahmeerklärung gegenüber dem Betriebsrat erläutert hat.

 

Ausf. auch zur Gestaltung einer solchen Betriebsvereinbarung Kleinebrink, Das Einblicksrecht des Betriebsausschusses in die Bruttolohn- und –gehaltslisten nach dem Entgelttransparenzgesetz, FA 2018, 38ff.